Interview mit Claas Röhl
„Gewinner des Bank Austria Sozialpreises Wien 2023“: Wie hört sich das an? Was war Ihre erste Reaktion?
Das ist großartig! Als mir meine Kolleginnen erzählt haben, dass wir das Voting für uns entscheiden konnten, war die Freude groß. Aber auch die Dankbarkeit, dass viele Menschen aus unserer Community und darüber hinaus für uns gevotet haben. Unser Dank gilt aber auch der Jury, die unser Projekt nominiert und damit auch das vernachlässigte Thema Neurofibromatose bekannter gemacht hat.
Wie haben Sie selbst die letzten Wochen und Tage des Votings erlebt?
Bereits die Nominierung des NF Kinder Expertisezentrum für den BA Sozialpreis 2023 war eine große Freude und Ehre. Wir haben gleich begonnen, über unsere Kommunikationskanäle zu informieren und um Unterstützung gebeten. Das hat gut funktioniert, wir lagen bald in Führung und es war spannend bis zuletzt, ob wir den Vorsprung den Sommer über halten können. Das ist uns zum Glück gelungen.
Beschreiben Sie bitte noch einmal kurz, was Ihr Projekt ausmacht?
Neurofibromatose ist eine unberechenbare genetisch bedingte Tumor-Risikoerkrankung. Mit einer Inzidenz von 1.2500 Betroffenen, zählt sie zu den seltenen Erkrankungen. Dementsprechend wenig ist über die Erkrankung bekannt und es gibt nur wenig Ärzt:innen, die sich damit auskennen. Das NF Kinder Expertisezentrum ist eine Spezialambulanz für Kinder und Jugendliche mit Neurofibromatose. Hier bekommen NF Patient:innen sowie deren Familien eine umfassende interdisziplinäre Versorgung - sowohl im medizinischen, therapeutischen als auch im psychosozialen Bereich. Darüber hinaus werden am NF Kinder Expertisezentrum gemeinsam mit der Meduni Wien Fortbildungsveranstaltungen rund um das Thema NF organisiert und Forschungsprojekte durchgeführt.
Wie werden Sie das Preisgeld von 6.000 Euro konkret für Ihr Projekt einsetzen?
Da die Mittel im österreichischen Gesundheitssystem zur Finanzierung einer Spezialambulanz für eine seltene Erkrankung nicht ausreichen, wird das NF Kinder Expertisezentrum zum Großteil durch Spendengelder finanziert, die der Verein NF Kinder generiert. Für den Ambulanzbetrieb - der an zwei Tagen pro Woche stattfindet, sowie laufende Forschungstätigkeiten, belaufen sich die jährlichen Kosten auf etwa 120.000 Euro. Daher können wir das Preisgeld sehr gut gebrauchen.
Warum ist es aus Ihrer Sicht notwendig, Projekte ins Leben zu rufen, die einen Nutzen für Kinder/Jugendliche/Frauen/die Gesellschaft/ Integration & Migration stiften?
Eine seltene Erkrankung wie Neurofibromatose zu haben, bedeutet für Betroffene eine ungewisse Zukunft, viele engmaschige ärztliche Kontrollen und oftmals auch eine große psychische Belastung. Dank des NF Kinder Expertisezentrums haben betroffene Familien eine Anlaufstelle, wo sie Beratung von Spezialist:innen bekommen. Denn der Umgang mit einer chronischen Erkrankung ist mitunter eine zeitintensive und finanzielle Herausforderung. Am NF Kinder Expertisezentrum ist bei jeder Befundbesprechung eine klinische Psychologin anwesend und bei Bedarf wird eine sozialrechtliche Beratung angeboten. Gerade betroffene Familien, wo aufgrund einer medizinischen Intensiv-Therapie mit einem Arbeitsausfall zu rechnen ist oder Alleinerzieher:innen oder Familien mit Migrationshintergrund hilft die sozialrechtliche Beratung notwendige Formulare und Bescheide zu erhalten. Ohne eine adäquate Unterstützung sind die Familien davon bedroht, unter dieser Last zusammenzubrechen. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass jede von NF betroffene Familie die Unterstützung erhält, die sie benötigt.
Fotocredits: © CREDITS
Das Projekt
Eingereicht von: NF Kinder – Hilfe für Neurofibromatose-PatientInnen und Angehörige Österreich
Projektstart: 10.12.2018
Kategorie: Kinder/Jugendliche
Social-Media: https://www.nf-zentrum.at/
Der Verein NF Kinder setzt sich für Betroffene der seltenen, bislang unheilbaren Erkrankung Neurofibromatose in Österreich ein. Ein großer Teil der 4.000 Betroffenen in Österreich findet so spezialisierte, kompetente Betreuung – sowohl im medizinischen als auch im psychosozialen Bereich.
Jede Woche kommt in Österreich ein Kind mit NF zur Welt. In Österreich gibt es ca. 4.000 Betroffene, davon sind rund 800 Kinder.
Menschen mit Neurofibromatose (NF) sind nicht nur chronisch krank und müssen mit einem unvorhersehbaren Krankheitsverlauf leben, sondern waren bisher auch chronisch unterversorgt. Dabei müssen NF Kinder häufig intensiv betreut werden, beispielsweise im Rahmen von Chemotherapien oder operativen Eingriffen. Selbst bei einem milden Krankheitsverlauf sind intensive, jährliche Vorsorgeuntersuchungen bei verschiedensten SpezialistInnen unbedingt notwendig.
Das Ziel ist es, die Situation für von Neurofibromatose Betroffene zu verbessern und die medizinische Versorgungslücke zu schließen.
2017 konnte in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien das erste österreichische Neurofibromatose-Expertisezentrum an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am AKH Wien ins Leben gerufen werden. Dort findet ein großer Teil der rund 3200 Betroffenen in Österreich spezialisierte, kompetente Betreuung – sowohl im medizinischen als auch im psychosozialen Bereich.
Es wurde außerdem ein österreichweites NF Netzwerk etabliert, hier arbeiten ÄrztInnen die Menschen mit NF versorgen, mit dem Verein zusammen. Alle zwei Jahre wird auch das NF Symposium durchgeführt.