UniCredit Bank Austria Branchenbericht Elektroindustrie:
Elektroindustrie gewinnt rasch an Spannung
- Österreichs Elektroindustrie wird 2021 das moderate Produktionsminus des Vorjahres von 2,1 Prozent wieder aufholen
- Die österreichische Elektroindustrie hat die Krise besser als die europäische Konkurrenz bewältigt
- Die erfolgreiche Spezialisierung in Investitionsgütersparten sorgt für 1,9 Milliarden Euro Exportüberschuss
- Hohe Forschungsausgaben und Innovationsstärke sichern die Wettbewerbsfähigkeit der Branche
Österreichs Elektroindustrie ist seit Jahren eine der wachstumsstärksten Branchen im europäischen Vergleich. In Österreich hat die Branche das Krisenjahr 2020 mit geringeren Verlusten beendet als in den meisten großen europäischen Herstellerländern. Die Produktionsleistung ist 2020 um 2,1 Prozent gesunken, im EU-Schnitt um 3,5 Prozent. „Wir erwarten, dass die Elektroindustrie in Österreich das Vorjahresminus noch 2021 aufholt, angetrieben vom rasch wachsenden Bedarf an neuer Informations- und Kommunikationstechnologie und den öffentlichen Investitionsprogrammen, die zur Abfederung der negativen wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise gestartet werden. Die Branche ist aufgrund ihrer Wettbewerbsstärke auch für die nächsten Jahre gut gerüstet“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Günter Wolf.
Erholung der Branchenkonjunktur 2021 wird das relativ geringe Minus 2020 ausgleichen
Die Wirtschaftskrise 2020 haben beide Bereiche, die laut Statistik Austria zur Elektroindustrie zählen, relativ unbeschadet überstanden, nämlich die Herstellung von Elektronikprodukten und von elektrotechnischen Ausstattungen und Geräten. Die Branchenproduktion ist bereits 2019 leicht gesunken, vor allem infolge der schwachen Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) in der EU. 2020 verbuchte der Bereich Elektronik ein Produktionsminus von 3,3 Prozent und der Bereich Elektrotechnik von 1,2 Prozent (die Umsätze sind jeweils um 2,8 Prozent auf 7,4 beziehungsweise 12,8 Milliarden Euro gesunken). Während Österreichs Industrie insgesamt zumindest bis 2022 brauchen wird, um das gesamte Produktionsminus von 7,4 Prozent 2020 auszugleichen, sollte das der Elektroindustrie mit dem Produktionsrückgang von 2,1 Prozent im Jahr 2020 schon 2021 wieder gelingen.
Ein wesentlicher Teil der öffentlichen Investitionsprogramme zur Abfederung der negativen wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise zielt auf die Förderung neuer Energietechniken ab und wird die Nachfrage nach Produkten der Elektroindustrie stärken. Ebenso kann die Branche Impulse von der Erholung der Unternehmensinvestitionen erwarten, die vor dem Hintergrund des pandemiebedingten Strukturwandels verstärkt in die Informations- und Kommunikationstechnologie fließen.
Die Produktionsleistung der Elektroindustrie hat bereits im vierten Quartal 2020 an Schwung gewonnen und ist im Jänner 2021 (aktuellste Daten) weiter gestiegen. Zuletzt sind im März auch die Produktionserwartungen der Unternehmen in der Herstellung von Elektronik deutlich optimistischer geworden. Hier signalisieren zudem der starke Zuwachs der Bestelleingänge zur Jahreswende und die in den ersten zwei Monaten 2021 um 3 Prozent höheren Beschäftigungszahlen einen anhaltenden Konjunkturaufschwung. Auch in der Elektrotechnik hat der Optimismus der Unternehmen in den ersten Monaten 2021 an Breite gewonnen. Allerdings sind die im März wieder etwas vorsichtigeren Produktionserwartungen ein Hinweis, dass sich der Aufschwung in dem Bereich noch nicht gefestigt hat.
Erfolgreiche Spezialisierung in Investitionsgütersparten sorgt für 1,9 Milliarden Euro Exportüberschuss
Langfristig ist die Branche im Außenhandel vor allem mit Produkten der investitionsnahen Segmente überdurchschnittlich erfolgreich. Mit Elektromotoren, Stromaggregaten, Transformatoren und ähnlichen Geräten wurde 2020 ein Exportüberschuss von 933 Millionen Euro erzielt, mit Schaltern, Steckern und Leiterplatten von 243 Millionen Euro. Die Handelsbilanz mit Batterien, Lampen und elektrischen Fahrzeugausrüstungen hat erst in den letzten zwei Jahren unter den starken Exporteinbußen im Bereich der Fahrzeugelektronik gelitten, lag aber 2020 noch mit 281 Millionen Euro im Plus. Zu den Erfolgsprodukten der heimischen Elektroindustrie zählen nicht zuletzt die Medizintechnik und Mess- und Prüfgeräte, die zusammen ein Plus von 464 Millionen Euro zur Außenhandelsbilanz beitragen. Dem Außenhandelsüberschuss in den genannten Warengruppen von insgesamt 1,9 Milliarden Euro stand 2020 ein Defizit mit Computern, Telefonen und Produkten der Unterhaltungselektronik von 3,5 Milliarden Euro gegenüber (Exporte im Wert von 3 Milliarden Euro und Importe von 6,5 Milliarden Euro).
Die Exporterfolge der investitionsnahen Segmente konnten den Verlust an Weltmarktanteilen der österreichischen Elektroindustrie nicht verhindern. Von 2010 bis 2019 ist der Anteil am weltweiten Export elektrischer Maschinen und Ausrüstungen von 0,8 Prozent auf 0,6 Prozent gesunken. Verantwortlich dafür ist die Tatsache, dass vor allem Informations- und Kommunikationstechnologie zu den weltweit am stärksten nachgefragten Exportprodukten zählen, IKT aber trotz der hohen Technologieintensität vielfach über den Preis verkauft wird. Damit wurde die kostengünstige Produktion in großen Stückzahlen zum essenziellen Wettbewerbsfaktor. Die Hersteller sind aus den Hochlohnländern abgewandert und die stark steigende Nachfrage wird im Wesentlichen über Importe gedeckt, wie das hohe Außenhandelsdefizit klar zeigt.
Es ist der Elektroindustrie in Österreich in einigen Produktbereichen allerdings gelungen, überdurchschnittlich hohe Weltexportanteile zu erreichen und damit ihre internationale Konkurrenzfähigkeit unter Beweis zu stellen: beispielsweise mit Kfz-Teilen (2,7 Prozent 2019), mit Geräten für die Stromerzeugung und -verteilung (1,8 bis 2,8 Prozent) und vor allem mit Geräten für die Verkehrsüberwachung und die Verkehrssteuerung (in diesem Segment lag der Weltexportanteil bei 9,1 Prozent).
Wachstumsstark und konkurrenzfähig durch hohe Forschungsausgaben und Innovationskraft
Österreichs Elektroindustrie wächst im internationalen Branchenvergleich überdurchschnittlich rasch. Seit 2008 legte die Produktion der Elektronikindustrie um 61 Prozent zu, im Vergleich zu 1 Prozent im EU-Schnitt, in der Elektrotechnik um 15 Prozent. Hier ist die EU-Produktion um 14 Prozent gesunken, vor allem in den großen Herstellerländern Deutschland, Frankreich und Italien, wo die Branche vor allem in den Krisenjahren 2009 und 2020 deutlich stärkere Rückschläge als in Österreich verbuchte.
Die Erfolge im Außenhandel und der internationale Wachstumsvorsprung der österreichischen Elektroindustrie sind das Ergebnis der hohen Wettbewerbsstärke und bestätigen indirekt die relativ erfreulichen Perspektiven vieler Teile der Branche. Eine Grundlage davon ist die überdurchschnittlich wertschöpfungsintensive Produktpalette, die in weiterer Folge für die relativ stabile Produktpreisentwicklung sorgt und zum Teil auch vor der Billigkonkurrenz schützt. Mit einem Anteil der Wertschöpfung am Umsatz von durchschnittlich 34 Prozent liegt Österreichs Elektroindustrie im europäischen Spitzenfeld. Zwei wesentliche Elemente der hohen Wertschöpfungsintensität sind die Forschungsfreudigkeit und die ausgeprägte Innovationsfähigkeit der Branche.
Als eine der forschungsfreudigsten und innovativsten Branchen Europas ist Österreichs Elektroindustrie für die Zukunft zumindest gut gerüstet. In Summe geben die Unternehmen der Elektroindustrie 7,8 Prozent des Umsatzes für Forschung & Entwicklung aus und mehr als 86 Prozent der Unternehmen sind im Sinn der europäischen Innovationserhebung „innovationsaktiv“. Der Anteil ist seit Jahren einer der höchsten in Europa und lag zuletzt nur knapp hinter dem Ergebnis der Elektrotechnik- und Elektronikunternehmen in Deutschland (und der sehr kleinen Branche in Luxemburg).
„Die Außenhandelsperformance und die Entwicklung der Strukturindikatoren zeigen, dass Österreichs Elektroindustrie nicht nur die strukturellen Anforderungen erfüllt, um unter den gegebenen Rahmenbedingungen, dem hohen Importdruck und der stagnierenden Nachfrage in zentralen Segmenten wirtschaftlich zu überleben, sondern auch seine Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig absichern kann“, sagt Wolf abschließend.
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