UniCredit Bank Austria Analyse:
Tanken wird voraussichtlich wieder billiger – aber nicht auf Dauer
- Der Ölpreisanstieg erhöhte die Treibstoffpreise 2021 um rund 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ist für 60 Prozent der Inflationsbeschleunigung von 1,4 auf durchschnittlich 2,4 Prozent verantwortlich
- Die höheren Treibstoffpreise belasten das Haushaltsbudget 2021 mit durchschnittlichen Mehrkosten von 240 Euro für Dieselfahrer bzw. 220 Euro für Benzinfahrer
- Der Ölpreis hat den Höhepunkt überschritten: Ab dem vierten Quartal ist eine leichte Verringerung der Preise an den österreichischen Tankstellen zu erwarten
- 2022 wird der durchschnittliche Rohölpreis voraussichtlich um 8 Prozent sinken
- Dieser Rückgang würde 2022 über das Jahr gesehen zu einem Rückgang des Literpreises für Diesel um rund 3 Prozent auf durchschnittlich 1,15 Euro bzw. um etwa 2 Prozent für Super (95) auf 1,22 Euro im Schnitt führen
- Steuerliche Veränderungen könnten allerdings mittelfristig der Verbilligung von Treibstoffen entgegenstehen: Die Aufhebung des Dieselprivilegs würde den Preis für 1 Liter von aktuell 1,25 Euro auf 1,35 Euro heben
- Zudem wird für den Fall der Nichterfüllung der Klimaschutzziele eine Erhöhung der Mineralölsteuer um bis zu 50 Prozent diskutiert. Der Dieselpreis würde damit (ohne Privileg) auf 1,64 Euro steigen, der Preis für Super 95 auf 1,61 Euro pro Liter
Die rasche Erholung der Weltwirtschaft aus der Pandemie hat einen starken Anstieg des Rohölpreises an den Weltmärkten ausgelöst, der die Preise für Treibstoffe an den österreichischen Tankstellen kräftig nach oben gehievt hat. Von 1,05 und 1,08 Euro für einen Liter Diesel bzw. Superbenzin im Jahresdurchschnitt 2020 stiegen die Treibstoffpreise auf aktuell 1,25 Euro für Diesel bzw. sogar 1,33 Euro für Super.
„Aufgrund des Anstiegs der Ölpreise um rund 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 55,6 Euro pro Barrel werden die Treibstoffpreise in Österreich im Jahresdurchschnitt 2021 auf 1,18 Euro pro Liter Diesel bzw. 1,24 Euro pro Liter Superbenzin zulegen und sind damit um nicht ganz 15 Prozent höher“, meint UniCredit Chefökonom Stefan Bruckbauer und ergänzt: „Der Ölpreisanstieg ist über die Energiepreise damit bestimmend für die Beschleunigung der Inflation von 1,4 Prozent im Vorjahr auf voraussichtlich 2,4 Prozent im Jahresdurchschnitt 2021 in Österreich. Rund 0,6 Prozentpunkte sind nach unseren Berechnungen allein darauf zurückzuführen.“
Der Anstieg der Treibstoffpreise führt ganz konkret zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung für die österreichischen Familien. „Der Anstieg der Treibstoffpreise löst 2021 spürbare Mehrkosten aus. Ein durchschnittlicher Haushalt mit Dieselfahrzeug muss im laufenden Jahr insgesamt um rund 240 Euro mehr als im Vorjahr für Treibstoff aufwenden. Ein Haushalt mit Benzinfahrzeug hat aufgrund niedrigerer durchschnittlicher Fahrleistung etwas geringere Mehrkosten gegenüber dem Vorjahr von rund 220 Euro“, so Bruckbauer.
Die gute Nachricht: Tanken wird wieder billiger
Wenn die Rückführung der OPEC-Förderkürzungen in dem geplanten Tempo fortgesetzt wird, wird am Ölmarkt bald das Angebot die Nachfrage übersteigen, die Lagerbestände wieder ansteigen und die Preise folglich sinken.
„Der Preis für Rohöl hat den Höhepunkt voraussichtlich erreicht und daher gehen wir auch von einer beginnenden Entspannung der Treibstoffpreise in Österreich aus. Im Jahr 2022 wird der durchschnittliche Rohölpreis mit voraussichtlich 51 Euro pro Barrel um etwa 8 Prozent tiefer als 2021 liegen. Das sollte zu einem Rückgang des Literpreises für Diesel um zumindest 3 Prozent im Jahresdurchschnitt 2022 auf 1,15 Euro bzw. um etwa 2 Prozent für Super (95) auf 1,22 Euro sorgen“, meint UniCredit Ökonom Walter Pudschedl. Damit kommt es im Durchschnitt zu einer Ersparnis zwischen 35 (Benzinhaushalt) und immerhin 50 Euro (Dieselhaushalt) gegenüber 2021.
Die schlechte Nachricht: Der Rückgang der Treibstoffpreise wird nicht langfristig sein
Mittelfristig ist allerdings mit einem Anstieg der Treibstoffpreise zu rechnen, der Grund dafür sind mögliche steuerliche Veränderungen. Im Mittelpunkt der Diskussion steht diesbezüglich seit Jahren das sogenannte Dieselprivileg, die geringere Mineralölsteuerbelastung von Diesel gegenüber Benzin. „Die Gleichsetzung der Höhe der Mineralölsteuer von Diesel und Benzin auf das Niveau von Benzin würde den aktuellen Abgabepreis von Diesel an den österreichischen Tankstellen von durchschnittlich 1,25 Euro pro Liter auf 1,35 Euro pro Liter erhöhen. Damit würde der Dieselpreis bei gleicher Besteuerung aufgrund des unterschiedlichen Nettopreises sogar höher werden als der aktuelle Preis von Super (95) von 1,33 Euro pro Liter“, so Pudschedl.
Aufhebung des Dieselprivilegs dürfte sich aus finanziellen Gründen nicht rechnen
Das Ende des Steuerprivilegs würde pro Liter Diesel zu Mehreinnahmen von 8,5 Eurocent an Mineralölsteuer und weiteren 1,7 Eurocent an Umsatzsteuer führen. Damit ergäben sich also knapp über 10,2 Eurocent pro Liter Diesel an Steuermehreinnahmen bzw. insgesamt, unter Annahme der voraussichtlichen Verbrauchsmenge von 2021 bei unverändertem Tankverhalten, Mehreinnahmen von über 600 Millionen Euro an Mineralölsteuer. Hinzu würden noch weiters über 100 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen aus der Umsatzsteuer kommen. Aufgrund des im europäischen Vergleich günstigeren Abgabepreises von Diesel in Österreich besteht jedoch ein starker Tanktourismus, dem selbst konservativ geschätzt zumindest 20 Prozent der Mineralölsteuereinnahmen bzw. rund 800 Millionen Euro im Jahr 2021 zu verdanken sind.
Bei einer sofortigen Aufhebung des Dieselprivilegs würden die Einnahmen aus dem Tanktourismus im Westen Österreichs dank des hohen Preisvorteils gegenüber Italien, Deutschland und der Schweiz deutlich geschmälert werden, im Osten Österreichs aufgrund der geringen Preisunterschiede jedoch gänzlich zum Erliegen kommen. Hier wäre sogar zusätzlich ein heimischer Nachfrageabfluss nach Tschechien, in die Slowakei und nach Ungarn zu erwarten.
„Durch die Beendigung des Dieselprivilegs würden die Einnahmen aus dem Tanktourismus zu einem großen Teil wegfallen. Zudem würde es nach unserer Schätzung für die österreichischen Haushalte und Unternehmen zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung von bis zu 400 Millionen Euro pro Jahr führen. Das Ergebnis ist somit recht eindeutig: Die Aufhebung des Dieselprivilegs wäre unter den derzeitigen Rahmenbedingungen unterm Strich für den österreichischen Finanzminister und somit auch den Steuerzahler wohl ein finanzielles Verlustgeschäft im dreistelligen Millionenbereich“, meint Pudschedl. Aus finanziellen Überlegungen dürfte die Aufhebung des Dieselprivilegs daher voraussichtlich nicht erfolgen.
Aber: Beim Thema Klimaschutz kommt Anhebung der Steuern wieder ins Spiel
In aktuellen Entwürfen des neuen Klimaschutzgesetzes wird im Falle der Nichterreichung bestimmter Emissionsziele eine automatische Anhebung der Steuern auf fossile Rohstoffe vorgeschlagen. Für die Mineralölsteuer auf Diesel und Benzin könnte das eine Anhebung um bis zu 50 Prozent bedeuten. Damit würde vermutlich auch das Dieselprivileg fallen. Auch der Wegfall des Tanktourismus, womit man diesen Teil des Treibstoffverbrauchs nicht mehr auf die eigene Bilanz nehmen muss, wäre ein positiver Nebeneffekt.
Gerechnet auf den aktuellen durchschnittlichen Abgabepreis von Diesel und Benzin an den österreichischen Tankstellen würde dies statt eines Preises von durchschnittlich 1,33 Euro pro Liter Super (95) einen Preis von 1,61 Euro bedeuten. Für den Dieselpreis würde eine Anhebung der Mineralölsteuer um 50 Prozent eine Erhöhung von aktuell 1,25 Euro pro Liter auf durchschnittlich 1,37 Euro pro Liter bedeuten. Geht man von einer Abschaffung des Steuerprivilegs und einer Anhebung der Mineralölsteuer im gleichen Umfang wie bei Benzin aus würde der Dieselpreis allerdings um 39 Eurocent auf 1,64 Euro pro Liter steigen.
„Entgegen der oft aufgeheizten Diskussion zwischen Umweltschützern und Frächter- und Autofahrervertretern wird sowohl das Ende des Dieselprivilegs als auch mögliche Mineralölsteueranhebungen bei geschicktem Timing der Maßnahmen sowie sozial ausgleichenden Schritten nur begrenzte negative Effekte auslösen“, meint Bruckbauer und ergänzt abschließend: „Angesichts der fortschreitenden Elektromobilisierung und der Ankündigung vieler Autohersteller in einem mittlerweile absehbaren Zeitrahmen keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr herzustellen, wird dem Dieselprivileg in wenigen Jahren niemand mehr eine Träne nachweinen und auch die Mineralölsteuer insgesamt wird früher oder später Geschichte sein.“
Weiter Informationen unter: Tanken wird bald billiger, aber nicht auf Dauer, Unicredit Bank Austria, September 2021
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