21.10.2021

UniCredit Bank Austria Analyse:
Industrie hat in fast allen Bundesländern wieder das Vorkrisenniveau erreicht

  • Die Fortsetzung der Erholung bringt 2021 einen Anstieg der Industrieproduktion von voraussichtlich 8,5 Prozent in Österreich mit Kärnten an der Spitze 
  • Der Aufholprozess der Industrie in Kärnten, Wien, Tirol und Vorarlberg war überdurchschnittlich stark, während die burgenländische Industrie das Vorkrisenniveau noch erreichen muss 
  • Die gesamte Produktionsleistung der österreichischen Industrie liegt bereits 3,2 Prozent über dem Vorkrisenniveau, der Personalstand dagegen rund 1 Prozent darunter 
  • Unterstützt durch hohe Investitionen haben Industrieunternehmen in fast allen Bundesländern starke Produktivitätsgewinne erzielen können 
  • Das Tempo der Erholung im jeweiligen Bundesland wird stark vom vorherrschenden Branchenmix bestimmt 
  • Die regional sehr unterschiedlichen Wachstumsraten einzelner Branchen unterstreichen, dass der Erfolg vielerorts vor allem auch von großen Leitbetrieben abhängig ist

„Die österreichische Industrie hat die Corona-Krise sehr erfolgreich bewältigt. Bis auf das Burgenland ist in allen Bundesländern der pandemiebedingte Einbruch der Produktionsleistung bis Mitte 2021 bereits wieder vollständig aufgeholt worden“, sagt UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer und ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass die Erholung auch in den kommenden Monaten kräftig sein wird und 2021 in Österreich einen Anstieg der Industrieproduktion im Jahresdurchschnitt von 8,5 Prozent ermöglicht, nach einem Rückgang von 7,5 Prozent im Vorjahr. Das Bundesland Kärnten hält dabei die Wachstumsspitze, während die Industrie in Wien die schwächste Dynamik im Gesamtjahr erreichen dürfte.“ 

Starke Unterschiede in den Bundesländern
Die Industrieproduktion brach aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie im Frühjahr 2020 in den einzelnen österreichischen Bundesländern stark ein. Die Produktionsleistung lag am Tiefpunkt im April 2020 im Österreichschnitt um 25 Prozent unter jener aus 2019. Mit einem Rückgang von mehr als 30 Prozent waren das Burgenland, Oberösterreich, Salzburg und die Steiermark besonders stark betroffen. 

„Die Erholung der Industrie seit dem Sommer 2020 setzte sich trotz erneuter Verschärfung der Infektionslage und wirtschaftlicher Beschränkungen in Österreich auch über den Winter fort und erfasste alle Bundesländer. Das Erholungstempo ist in den einzelnen Bundesländern jedoch sehr unterschiedlich. Während in Kärnten Mitte 2021 die Produktionsleistung in der Sachgüterindustrie bereits um 17 Prozent über dem Niveau vor Ausbruch der Pandemie liegt, hat die burgenländische Industrie als einzige das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht. Neben Kärnten hat auch die Industrie in Wien, Tirol und Vorarlberg den Österreichschnitt von 3,2 Prozent über dem Vorkrisenniveau übertroffen“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. 

In allen österreichischen Bundesländern hat die Industrie auch im internationalen Vergleich die Pandemie sehr erfolgreich bewältigt. Im Euroraum, vor allem in Deutschland, lag die Produktionsleistung im Sommer 2021 noch unter dem Niveau von 2019. Selbst der österreichische Nachzügler Burgenland verbucht zur Jahresmitte 2021 mit knapp 5 Prozent einen geringeren Rückstand zum Vorkrisenniveau als die deutsche Industrie mit 7 Prozent.

Beschäftigung in der Industrie übersteigt nur in zwei Bundesländern das Vorkrisenniveau
Die volatile Entwicklung der Industrieproduktion während der Pandemie spiegelt sich in etwas abgeschwächter Form in den Beschäftigungstrends im Sektor wider, denn die Möglichkeit der Anmeldung von Beschäftigten zur Kurzarbeit sowie der Einsatz von Leiharbeitern dämpfte die Schwankungen. Nach durchschnittlich 629.000 Beschäftigten in ganz Österreich im Jahr 2019 in der Herstellung von Waren, sank die Anzahl der unselbständig Beschäftigten um bis zu 13.000 im Frühjahr 2020. „Seit dem Tiefstand nach Ausbruch der Pandemie ist in der heimischen Industrie der saisonbereinigte Personalstand um rund 7.000 Beschäftigte angestiegen. Damit liegt die Beschäftigung jedoch noch um rund ein 1 Prozent unter dem Vorkrisenstand. Nur in Kärnten und in der Steiermark übertrifft die Beschäftigung in der Herstellung von Waren bereits den Jahresdurchschnitt 2019. In Wien und in Salzburg ist der Rückstand mit mehr als 2 Prozent dagegen am höchsten“, so Pudschedl. 

Nur im Burgenland hat sich die Produktivität verschlechtert 
Die Produktionsleistung in der österreichischen Industrie liegt zur Jahresmitte 2021 bereits mehr als 3 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Diese Produktionsleistung wird jedoch mit rund 1 Prozent weniger Personal als vor Ausbruch der Pandemie erzeugt. Das unterschiedliche Wachstumstempo von Produktionsleistung und Beschäftigung ist in der Industrie nicht ungewöhnlich, seit der Pandemie geht die Schere jedoch stärker auf. 

„Die Steigerung der Produktivität in der österreichischen Industrie hat sich seit der Pandemie tendenziell beschleunigt. Die stärkste Verbesserung zeigt sich in Kärnten mit einem aktuellen Produktionsvolumen von über 17 Prozent über dem Vorkrisenniveau von 2019 bei einem nur leichten Anstieg der Beschäftigung von ein 1 Prozent im gleichen Zeitraum. Dem gegenüber steht die Performance im Burgenland mit der einzigen Verschlechterung der Produktivität aller Bundesländer“, so Pudschedl. Die Produktionsleistung liegt im Burgenland noch um 5 Prozent unter dem Vorkrisenniveau, während die Beschäftigung um „nur“ 3,5 Prozent darunter liegt.

Der „richtige“ Branchenmix bringt´s
Die unterschiedliche Entwicklung der Industrie in den einzelnen Bundesländern ist vor allem auf eine stark unterschiedliche Branchenentwicklung und eine unterschiedliche Branchenausrichtung zurückzuführen. Die wirtschaftliche Erholung hat bisher nicht alle Industriebranchen in gleichem Ausmaß erfasst. 

Die beste Entwicklung auf gesamtösterreichischer Ebene verzeichnete bisher die Herstellung von Metallerzeugnissen, deren Produktionsleistung bereits über 20 Prozent über dem Vorkrisenniveau liegt. Auch die Herstellung von Holzwaren (15,4 Prozent über dem Jahresdurchschnitt 2019), der sonstige Fahrzeugbau (13,5 Prozent), die Elektronikindustrie (12,7 Prozent), die chemische Industrie (12,3 Prozent) und die Elektroindustrie (11,1 Prozent) haben eine außergewöhnlich gute Entwicklung genommen. Dem gegenüber stehen einige Branchen, die das in der Pandemie verlorene Terrain noch nicht aufholen konnten. Dazu zählen vor allem konsumnahe Branchen, wie die Herstellung von Bekleidung und Schuhen, die Drucker, die Mineralölverarbeitung, die Getränkeindustrie und die KFZ-Industrie. 

Große Leitbetriebe geben oft den Ausschlag
„Das Tempo der Erholung wird in den einzelnen Bundesländern stark vom vorherrschenden Branchenmix bestimmt. Die zum Teil regional stark unterschiedlichen Wachstumsraten einzelner Branchen unterstreichen jedoch, dass der Erfolg vielerorts vor allem auch von großen Leitbetrieben abhängig ist, die die günstigen Rahmenbedingungen nutzen können“, meint Pudschedl und ergänzt: „Die Kombination aus günstigem Branchenmix und erfolgreichen Leitbetrieben hat zur starken Aufwärtsentwicklung der Kärntner Industrie geführt, gestützt vor allem auf die hohe Dynamik der Elektronikindustrie, die einen Anteil von fast einem Drittel an der Produktionsleistung in Kärnten hat und für zwei Drittel des Zuwachses gesorgt hat.“ 

Die gute Entwicklung in Wien ist unter anderem der chemischen und pharmazeutischen Industrie zu verdanken, die von pandemiespezifischen Nachfragesteigerungen profitiert. Der Anstieg gegenüber dem Vorkrisenniveau von über 9 Prozent in der Bundeshauptstadt ist jedoch auch durch eine Besonderheit nach oben verzerrt. Fast die Hälfte des Zuwachses ist auf die Sparte Herstellung von sonstigen Waren zurückzuführen, unter die z.B. auch die Prägung von Goldmünzen fällt, deren Absatz in der Krise sehr stark zugenommen hat. 

Überdurchschnittliche Zuwächse konnten auch die Tiroler und die Vorarlberger Industrie verzeichnen. In Tirol trugen insbesondere die Elektroindustrie, der Maschinenbau, die Herstellung von Holzwaren und die Metallerzeugung zur positiven Entwicklung bei. In Vorarlberg war die hohe Dynamik im traditionellen Stärkefeld Herstellung von Metallerzeugnissen ausschlaggebend. 

In Burgenland, dem einzigen Bundesland, in dem die Industrieproduktion noch unter dem Vorkrisenniveau liegt, haben vor allem die Nahrungs- und Getränkeindustrie sowie die KFZ-Industrie, die rund 20 Prozent der burgenländischen Produktionsleistung abdeckt, die Erholung gebremst.

Grafik Industrieproduktion Mitte 2021

 

 

Weiter Informationen unter: Industrieaufschwung im Bundesländervergleich, UniCredit Bank Austria, Oktober 2021

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Walter Pudschedl, Tel.: +43 (0)5 05 05-41957
E-Mail: walter.pudschedl@unicreditgroup.at