20.12.2021

UniCredit Bank Austria Branchenüberblick
Sonniges Branchenklima vom Herbst kühlt im Winter 2021/22 etwas ab

  • Industrie, Bau und wirtschaftsnahe Dienstleistungen sorgen dafür, dass die Wirtschaftsleistung in Österreich 2021 das Niveau von 2019 um wenigstens 2 Prozent übertreffen wird
  • Industrie bleibt auch noch Anfang 2022 auf Wachstumskurs: Vormaterialmangel und hohe Produktionskosten bremsen jedoch das Tempo der Industriekonjunktur 
  • Hoher Auftragsbestand der Bauwirtschaft im 4. Quartal 2021 garantiert Auslastung bis 2022 hinein, das Produktionswachstum ist im Herbst aufgrund fehlender Vormaterialien abgekühlt
  • 2021 bleibt für den Autohandel und viele Einzelhandelssparten ein schwieriges Geschäftsjahr, die Aussichten für 2022 sind für beide Branchen günstiger 
  • Wirtschaftsnahe Sparten sorgen für ein anhaltend sonniges Dienstleistungsklima 

Österreichs Wirtschaft hat sich 2021 trotz weiterer pandemiebedingter Einschränkungen rascher regeneriert als noch im Frühjahr angenommen. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung 2020 von 4,6 Prozent nominell kann vollständig aufgeholt werden. Voraussichtlich wird das Leistungsniveau des Jahres 2019 nominell um wenigstens 2 Prozent übertroffen. 
 

Grafik Branchenklima Österreich Dezember 2021


Das Branchenklima ist im November 2021 in den wichtigsten Sektoren und Branchen aufgeklart beziehungsweise sonnig geblieben. „Der aktuelle Branchenüberblick der UniCredit Bank Austria zeigt, dass seit dem dritten Quartal zwar der Vormaterialmangel und die zunehmenden Infektionszahlen den Aufholprozess bremsen. Im Vergleich zum November 2020, als der 3. Lockdown begann, zeichnen die aktuellen Klimaindikatoren vom November 2021 aber ein wesentlich optimistischeres Konjunkturbild“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Günter Wolf. Für die Ermittlung des Branchenklima-Indikators werden die Entwicklung der Produktion und Umsätze bis Oktober 2021 den Konjunkturbefragungsergebnissen vom November 2021 gegenübergestellt.

Für das leichte Wertschöpfungsplus 2021 im Vergleich zu 2019 sorgt vor allem die Industrie, die Bauwirtschaft und einige wirtschaftsnahe Dienstleistungen. Der Großteil der Industrie- und Bauunternehmen berichteten noch im November eine steigende Auftragslage. Allerdings wird der Materialmangel in beiden Sektoren unverändert als das wesentliche Produktionshindernis genannt. Das sonnige Branchenklima im Dienstleistungssektor im November war fast ausschließlich wirtschaftsnahen Sparten zu verdanken. Hingegen leiden die tourismusnahen und persönlichen Dienste wieder unter pandemiebedingten Nachfrageausfällen. Auch im Sektor Handel überwiegen bei den konsumnahen Sparten die pessimistischen Geschäftserwartungen. Hier kann mit einer weitgehenden Konjunkturerholung erst nach dem Ende der Lockdown-Maßnahmen gerechnet werden. 

Industrieller Wachstumsmotor wird etwas gedrosselt
Im dritten Quartal 2021 sind starke Wachstumsimpulse aus der Industrie vom Maschinenbau und der Elektronikindustrie gekommen, die im Wesentlichen von der Erholung der Investitionsgüterkonjunktur angetrieben werden. Der Bedarf an Informationstechnik wird 2022 weiter zunehmen ebenso wie die Nachfrage nach Investitionsgütern, angeregt von der Investitionsprämie und den öffentlichen Ausgaben im Rahmen des Klimapakets in Österreich wie auf europäischer Ebene. Von den größeren Industriebranchen berichteten zudem die Metallwarenerzeugung, die Kunststoffverarbeiter und die Holzindustrie im dritten Quartal 2021 Produktionszuwächse von deutlich über 10 Prozent. In den Branchen profitieren die Unternehmen vor allem von der unverändert kräftigen Baunachfrage im In- und Ausland. 

Allerdings ist das Produktionswachstum im dritten Quartal 2021 im Vergleich zum zweiten Quartal in den meisten größeren Industriebranchen abgekühlt, im Sektordurchschnitt von 27 Prozent auf 9 Prozent. Dafür war einerseits die Rückkehr auf einen durchschnittlichen Wachstumspfad verantwortlich, andererseits die Lieferengpässe bei Vormaterialien. Wie die Unternehmensbefragungen zeigen, hat sich die Vormaterialversorgung im vierten Quartal im Maschinenbau und der Elektroindustrie noch verschärft. Hier nennen jeweils mehr als die Hälfte der Unternehmen den Materialmangel als wesentliches Produktionshindernis. Leicht entspannt hat sich die Vormaterialversorgung bei den baunahen Branchen, den Kunststoffverarbeitern und der Holzindustrie. 

Dennoch sollten die Investitionsgütererzeuger wie die baunahen Industriebranchen bis Jahresende beziehungsweise auch Anfang 2022 noch kräftige Zuwächse verbuchen. Dafür sprechen die im November überwiegend positiven Beurteilungen der Auftragslage und die überdurchschnittlich optimistischen Produktionserwartungen für die nächsten Monate. Im Industriedurchschnitt berichten die Unternehmen im vierten Quartal 2021 einen Auftragsbestand, der eine Produktionsauslastung von 5,4 Monaten garantiert, ein Wert, der zuletzt 2008 übertroffen wurde. Die Auslastung in den wachstumsstarken Jahren 2017 und 2018 lag bei durchschnittlich 5 Monaten. 

Die Kfz-Industrie wird erst im Lauf von 2022 ihr Produktionsminus von 16 Prozent aus dem Vorjahr wieder aufholen, angetrieben vor allem von einer Welle neuer, angekündigter Fahrzeugmodelle. Im November 2021 wurden die Produktionserwartungen für die nächsten Monate wieder vorsichtiger und notierten nur mehr leicht im Wachstumsbereich. Die Branche ist im Industrievergleich vom Materialengpass am stärksten betroffen. Im vierten Quartal 2021 wurden die Versorgungsschwierigkeiten mit Vormaterialien von allen Unternehmen als einziges relevantes Produktionshindernis genannt. 

Von den größeren Industriebranchen wird auch die Lebensmittel- und Getränkeproduktion erst 2022 das Vorkrisenniveau wieder erreichen. In beiden Branchen hat die Konjunktur im dritten Quartal 2021 deutlich an Schwung verloren. Während die Lebensmittelerzeugung bis September 2021 ihren Poduktionsrückgang von 3,2 Prozent 2020 zumindest teilweise ausgleichen konnte, verbuchte die Getränkeerzeugung nochmals ein leichtes Minus. Die Branche ist wesentlich stärker als die Lebensmittelerzeugung vom Lockdown betroffen, wie die Produktionseinbußen von 10,3 Prozent im Vorjahr zeigten. Entsprechend den weiterhin vorsichtigen Produktionserwartungen der Unternehmen beider Branchen im Oktober und November sind hier stärkere Produktionszuwächse frühestens wieder im ersten Quartal 2022 zu erwarten.

Bau berichtet noch im vierten Quartal eine überdurchschnittlich gute Auftragslage
Die Bauwirtschaft hat ihr Umsatzminus von 2,2 Prozent nominell 2020 längst wieder aufgeholt. Bis September 2021 sind die Umsätze im Hoch- und im Tiefbau jeweils um durchschnittlich 15 Prozent nominell gestiegen. Dass die Zuwächse in allen Sparten seit Jahresmitte spürbar abkühlen, kann in erster Linie mit der stark gestiegenen Materialknappheit erklärt werden. Noch im vierten Quartal sorgte die sehr gute Auftragslage für eine Auslastung der Produktionskapazitäten von 7,6 Monaten, die weit über den zehnjährigen Durchschnitt von 6 Monaten lag. 

Allerdings beurteilten Unternehmen im Hochbau die Auftragseingänge schon in den letzten Monaten etwas vorsichtiger. In der Sparte dürften die Neubaunachfrage im Wirtschaftsbau und verzögert auch im Wohnbau schwächer werden. Hingegen sind die sonstigen Baugewerbe noch im November ähnlich zuversichtlich wie in den Vormonaten geblieben. Zugleich hat sich die Auftragslage im Tiefbau im Vergleich zu den Vormonaten erheblich verschlechtert.

Die Baukonjunktur wird 2022 noch an Schwung verlieren. Im Hochbau fehlen dem Wirtschaftsbau weiterhin stärkere Nachfrageimpulse vom Büromarkt und vom Einzelhandel, während der öffentliche Hochbau zunehmend unter geringeren Budgetausgaben leidet. Auch der Wohnbau wird 2022 nur wenig zulegen, da der Nachfrageüberhang großteils schon abgebaut wurde (die Neubaubewilligungen sind 2020 und zuletzt im 2. Quartal 2021 bereits gesunken). Wachstumsimpulse kann die Bauwirtschaft 2022 im Bereich der Wohnbausanierung und vermutlich noch im Tiefbau erwartet werden. Beide Sparten werden von der Förderung von Klimaschutzmaßnahmen profitieren. 

Der starke Zuwachs der Baunachfrage 2021 und die zunehmende Baumaterialknappheit lösten einen Rekordanstieg der Baukosten aus. Im ersten Halbjahr konnten die Unternehmen im Wohnbau die gestiegenen Kosten noch auf die Preise überwälzen. „Im dritten Quartal 2021 sind die gesamten Baukosten im Wohnbau um 14 Prozent gestiegen und damit deutlich rascher als die Baupreise mit 9,6 Prozent. Die Entwicklung ist ein Hinweis darauf, dass sich die Wohnbaukonjunktur langsam abkühlt und die Gewinne der Unternehmen zumindest kurzfristig unter Druck geraten sind“, sagt Wolf.

2021 bleibt für den Autohandel und viele Einzelhandelssparten ein schwieriges Geschäftsjahr
Im Kfz-Handel konnte das Umsatzminus 2020 von 11 Prozent nominell schon im ersten Halbjahr 2021 ausgeglichen werden. Seit Mitte 2021 sinken aber die Kfz-Neuzulassungen, der Branchenumsatz stagnierte im dritten Quartal, und die Geschäftserwartungen der Händler signalisieren seit September neuerlich Umsatzeinbußen. Die Sparte kann erst 2022 stärkere Absatzzuwächse erwarten, wenn sich die Lieferverzögerungen bei Neuwagen auflösen. Laut der jüngsten Konsumbefragung vom vierten Quartal 2021 ist die Zahl der Konsumenten, die im nächsten Jahr ein Auto kaufen wollen, wieder gestiegen. 

Im Großhandel wird die enge Verbindung zur dynamischen Industriekonjunktur bis 2022 hinein für hohe Zuwächse im Produktionsverbindungshandel sorgen. Bis September 2021 ist der Spartenumsatz nominell um 14 Prozent gewachsen, vor allem im Handel mit Metallen und Maschinen. Im Vergleich dazu wurden in den stärker pandemiegeschädigten, konsumnahen Sparten kaum Zuwächse erzielt. 

Im Einzelhandel verhinderten im Vorjahr die Umsatzzuwächse des großflächigen Lebensmittelhandels, der vom Ausfall der Gastronomie profitierte, stärkere Einbußen. Die Nicht-Lebensmittelsparten, die 2020 in Summe Umsatzeinbußen von 3,6 Prozent nominell verbuchten, konnten das Minus mit Ausnahme des Bekleidungs- und Schuhhandels bis September 2021 ausgleichen. Die Geschäftserwartungen der Einzelhändler sind im November wieder ins Minus gerutscht und lassen zumindest im Nicht-Lebensmittelhandel für das vierte Quartal wieder Umsatzrückgänge erwarten. Voraussichtlich wird der Einzelhandel 2021 zwar leicht über dem Niveau 2019 abschließen, kann aber eine weitgehende Konjunkturerholung erst mit dem Ende der Lockdown-Maßnahmen erwarten.

Im Dienstleistungssektor ist das Branchenklima im November sonnig geblieben 
2020 erreichte der Umsatzrückgang im Dienstleistungssektor mit 15,6 Prozent einen Negativrekord. Seit April 2021 ist das Branchenklima wieder sonnig und sollte das aufgrund der optimistischen Geschäftserwartungen im Bereich wirtschaftsnaher Dienste bis zum Jahresende auch bleiben. Im Verkehrsbereich ist der Anteil vorsichtiger Nachfrageerwartungen nur im Landverkehr etwas gestiegen, vermutlich weil hier der Personenverkehr wieder pandemiebedingte Einschränkungen befürchtet. Hingegen profitieren der Gütertransport und die Sparte Lagerhaltung und Speditionen von der starken Industriekonjunktur. 

Im Bereich sonstiger Wirtschaftsdienste berichten fast alle Sparten seit dem zweiten Quartal Umsatzzuwächse. Wie die positiven Nachfrageerwartungen im November zeigen, ist das Umsatzwachstum auch in den letzten Monaten nicht abgebrochen. Allerdings zeigen die Befragungsergebnisse deutliche Unterschiede im Wachstumstempo: während die Anbieter von IT- und Telekomdiensten, Anwälte, Steuerberater, technische Büros, Arbeitskräftevermittler und die Werbung das Vorkrisenniveau noch 2021 erreichen sollten, dauert der Aufholprozess bei den persönlichen Dienstleistungen auf jeden Fall noch bis 2022.

Die tourismusnahen Sparten konnten einen Teil ihrer massiven pandemiebedingten Einbußen im zweiten und dritten Quartal 2021 wieder wettmachen. Nach dem Umsatzminus von 79 Prozent im ersten Quartal verbuchten die Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe in den zwei folgenden Quartalen ein Umsatzplus von durchschnittlich 19 Prozent. Gleichzeitig mit den seit August wieder stärker steigenden Infektionszahlen ist aber auch der Anteil pessimistischer Unternehmen in dem Bereich wieder gewachsen und kündigt weitere Umsatzeinbußen an. Auch wenn Österreichs Tourismussektor nach dem Ende der Pandemie eine rasche Erholung erwarten kann, steht den Unternehmen aufgrund der hohen Einnahmenausfälle und der veränderten Reisegewohnheiten noch ein umfangreicher Restrukturierungsprozess bevor. 


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