UniCredit Bank Austria Analyse:
Energiepreise auf Rekordniveau - Abkühlung erst 2023 in Sicht
- 2021 sind die Großhandelspreise für Gas um 480 Prozent und für Strom um 330 Prozent gestiegen
- Seit dem vierten Quartal 2021 sind auch Österreichs Haushalte mit stark steigenden Energiepreisen belastet
- Mit Erdgas werden 25 Prozent des heimischen Energieverbrauchs gedeckt, mit elektrischem Strom 17 Prozent
- Bis 2030 können mit Energieeffizienzmaßnahmen und mit dem Ausbau erneuerbarer Energieträger die Importe von Erdöl und Erdgas um mehr als die Hälfte reduziert werden
- Dekarbonisierung des Energiemarktes beeinflusst zunehmend die Energiepreise
Im Dezember 2021 kostete eine Megawattstunde Grundlaststrom an der Leipziger Energiebörse durchschnittlich 232 Euro und damit um 330 Prozent mehr als im Jänner 2021. Die Preise am europäischen Strommarkt sind ein Abbild der Kosten der Kraftwerke, die für die Erzeugung des zusätzlichen Strombedarfs eingesetzt werden. Das waren im Vorjahr vermehrt Gaskraftwerke.
Gaspreise ziehen auch die Strompreise 2021 auf ein Rekordniveau
Insofern beeinflusst der Großhandelspreis für Gas unmittelbar die Strompreise. Im Laufe des Jahres 2021 haben sich die Gaspreise aufgrund der starken Nachfrage und des fehlenden Angebots an Erdgas sogar mehr als verfünffacht. Auch wenn nur ein Teil der höheren Einkaufspreise der Energieversorger bei den Endkunden ankommt, steigen die Energiekosten sowohl der Haushalte als auch der gewerblichen Energieverbraucher seit Ende 2021 spürbar.
Energieintensive Produktionsbetriebe verlieren damit an internationaler Konkurrenzfähigkeit und die prekäre Situation vieler Haushalte im Hinblick auf die Energieversorgung wird weiter zunehmen. 2020 waren 1,5 Prozent beziehungsweise 60.000 österreichische Haushalte nicht in der Lage, ihre Wohnung angemessen warm zu halten. „Die Energiepreisentwicklung und zunehmend unsichere Versorgung der europäischen Energiemärkte verdeutlichen, dass eine rasche Umsetzung der Maßnahmen zur Energiewende unabdingbar ist“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Günter Wolf.
Großhandelspreise kommen verzögert bei den Verbraucherpreisen an
Der hohe Anstieg der Strompreise 2021, wie er im Großhandel schon seit Sommer zu beobachten ist, ist etwas verzögert im vierten Quartal bei den Verbrauchern angekommen: Im Jahresdurchschnitt 2021 kostete Haushaltsstrom in Österreich um 7 Prozent und im Jänner 2022 noch um 6,2 Prozent mehr als im Jahr davor.
Die verzögerte Anpassung erklärt sich unter anderem mit der hohen Zahl an Verträgen mit Preisgarantien und damit, dass die Strom- und Gaspreise erst nach Ankündigung erhöht werden können (was großteils Ende 2021 passierte).
In welchem Ausmaß die Verbraucherpreise 2022 mit den voraussichtlich noch steigenden Großhandelspreisen mitziehen, kann schwer eingeschätzt werden. Der Energieanteil an den Endkundenpreisen beträgt bei Gas 47 Prozent und bei Strom nur 33 Prozent. Zudem wird das Preisniveau 2022 vom Wegfall der Erneuerbaren-Förderkosten, der Anhebung der Netzentgelte und der geplanten CO2-Abgabe ab Juli beeinflusst. Sicher ist, dass die Preise noch über einen längeren Zeitraum überdurchschnittlich stark steigen werden.
Die aktuellen Notierungen für Gas- und Stromfutures signalisieren erst im Lauf von 2023 eine Entspannung der Großhandelspreise. „Mit Ausbruch der Ukrainekrise sind die Großhandelspreise für Gas wieder gestiegen und werden sich im Lauf von 2022 voraussichtlich auf einem Rekordniveau von durchschnittlich 170 Euro pro Megawattstunde bewegen. Der Strompreis erreichte zuletzt schon über 400 Euro pro Megawattstunde und wird in der ersten Jahreshälfte noch zulegen. Derzeit rechnen die Marktteilnehmer erst ab dem zweiten Quartal 2023 mit einem stärkeren Preisrückgang bei Gas auf durchschnittlich 70 Euro pro Megawattstunde und bei Strom auf 140 Euro pro Megawattstunde“, sagt Wolf.
Energieversorgung ist überdurchschnittlich auf Gas angewiesen
Das Energiejahr 2021 zeigte deutlich die Abhängigkeit der Energieversorgung in Österreich vom Gasangebot. Aufgrund des vergleichsweise trockenen und windarmen Sommers 2021 wurde weniger Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt und der Strombedarf musste europaweit vermehrt durch Gaskraftwerke mit deutlich höheren Produktionskosten ergänzt werden. Der höheren Gasnachfrage, die zudem von der raschen Konjunkturerholung angetrieben wurde, stand kein entsprechendes Gasangebot gegenüber und dies löste einen Rekordanstieg der Gaspreise aus. In Österreich ist die Stromproduktion der Wasserkraftwerke 2021 um 5,5 Prozent und der Windkraftwerke um 1 Prozent gesunken, während der Erdgasverbrauch in Wärmekraftwerken um 7,3 Prozent gestiegen ist.
Insgesamt werden in Österreich etwa 25 Prozent des Energieverbrauchs mit Erdgas und 17 Prozent mit elektrischem Strom gedeckt. Der Erdgasanteil am Energiemix hat sich seit mehr als zwei Jahrzehnten kaum verändert. 2021 ist der Gasverbrauch wieder um 6 Prozent gestiegen. Von den insgesamt 100 Terawattstunden Erdgas wurden ein Viertel zur Strom- und Wärmeerzeugung in Kraftwerken und in Heizkraftwerken eingesetzt (11 TWh und 16 TWh). Etwa zwei Drittel der Gasmenge wurden für die Wärmegewinnung von privaten Haushalten (19 TWh) und gewerblichen Verbrauchern (44 TWh) direkt energetisch genutzt. Und schließlich werden 5 TWh Erdgas nicht-energetisch in industriellen Produktionsprozessen verwendet (vor allem von der Chemie und Stahlindustrie).
Dekarbonisierung des Energiemarktes beeinflusst zunehmend die Energiepreise
Mit den entsprechenden Energieeffizienzmaßnahmen und dem forcierten Ausbau erneuerbarer Energieträger in Österreich könnten laut Umweltbundesamt die Nettoimporte von Erdöl bis 2030 um bis zu 70 Prozent und von Erdgas um mehr als die Hälfte reduziert werden. Auf Basis der Preise Anfang März könnten damit bis zum Jahr 2030 beim Import von Erdöl insgesamt 5,4 Milliarden Euro und von Erdgas 6 Milliarden Euro eingespart werden. Angesichts der hohen Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen in Europa ist die rasche Umsetzung der Maßnahmen fast unabdingbar. Für die Gasversorgung in Österreich gilt dies aufgrund der höheren Abhängigkeit von russischem Gas, mit einem Importanteil von rund 80 Prozent im Vergleich zu 45 Prozent in der EU, noch mehr. Schließlich ist der vollständige Ersatz von russischem Erdgas in Europa sehr teuer und technisch nur sehr schwierig bzw. kaum umzusetzen.
Das geplante Abschalten der Kohlekraftwerke in Europa wird vorübergehend zu einer Verknappung der Kraftwerkskapazitäten und höheren Energiepreisen führen. Zudem werden die CO2-Zertifikate teurer, deren Preis schon 2021 um 140 Prozent zugelegt hat, angetrieben vom Wirtschaftswachstum und den Erwartungen zu den Klimaschutzzielen 2030. Die steigenden Energiepreise am Weg zur Klimaneutralität der EU werden die Wettbewerbsposition einiger Branchen wahrscheinlich verschlechtern und die Energiearmut vieler Haushalte erhöhen. Dies sind zwei Aspekte, welche im Hinblick auf den Klimaschutz politische Unterstützung erfordern. Dennoch braucht die Energiewende eine Verteuerung der Emissionszertifikate und der fossilen Energieträger, damit sich Investitionen in emissionsmindernde Technologien rechnen.
Der Vergleich der Haushaltspreise der wichtigsten Energieträger in Österreich zeigt, dass auch nach dem Wegfall des Ökostrom-Förderbeitrags 2022, Strom im Vergleich zu fossilen Brennstoffen weiterhin deutlich mehr als Gas und Heizöl kostet. Im ersten Halbjahr 2021 lag der Bruttopreis für eine Kilowattstunde Strom bei 22,2 Cent, ohne Ökostrom-Förderbeitrag noch bei 19 Cent, für Heizöl bei 7 Cent und für Erdgas bei 6,4 Cent.
Weitere Informationen unter: https://www.bankaustria.at/boersen-und-research-analysen-und-research.jsp
Analyse Energiepreisentwicklung, UniCredit Bank Austria, März 2022
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