UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator:
Nach starkem Jahresbeginn kündigt sich Konjunkturverlangsamung an
- Der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator sinkt im April auf 0,7 Punkte, den niedrigsten Wert seit einem Jahr
- Sanktionen gegen Russland und die hohen Energiepreise werden die Konjunktur in Österreich in den kommenden Monaten verlangsamen
- Bremsspuren in Industrie und am Bau, doch Wegfall der Pandemiemaßnahmen wird Dienstleistungskonjunktur stützen, trotz Belastung durch Inflation
- Hohes Wachstum zu Jahresbeginn ermöglicht BIP-Anstieg von 3,6 Prozent für 2022. Wirtschaftswachstum wird 2023 mit 2,6 Prozent geringer ausfallen
- Verringerung der Arbeitslosenquote 2022 auf durchschnittlich 6,3 Prozent und 2023 auf 6,1 Prozent trotz Belastungen durch Ukraine-Krieg
- Nach 5,9 Prozent 2022 sinkt die Teuerung 2023 voraussichtlich auf 2,3 Prozent im Jahresdurchschnitt
- Vorgezogene Zinsanhebung der EZB infolge der gestiegenen Inflationserwartungen in Sicht
Die anhaltenden Lieferprobleme und die Preisanstiege belasten weiterhin die Konjunkturstimmung in Österreich. „Infolge des Kriegs in der Ukraine zeichnen sich für die österreichische Wirtschaft mittlerweile deutliche Bremsspuren ab. Der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator ist im April auf 0,7 Punkte gesunken“, sagt UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer und ergänzt: „Nach dem abrupten Einbruch im Vormonat hat sich die Konjunkturstimmung im April zwar nur noch geringfügig verschlechtert, jedoch auf allen Ebenen. Sowohl in der Industrie und am Bau als auch im Dienstleistungssektor trübten sich die Aussichten ein.“
Die andauernde Abkühlung des Exportumfelds der österreichischen Wirtschaft belastet die Stimmung in der heimischen Industrie immer stärker. Die Verschärfung der Lieferprobleme und die steigenden Kosten für Vormaterialien und Rohstoffe, insbesondere für Energie, bremsen die Zuversicht trotz hoher Auslastung und guter Auftragslage. In der Bauwirtschaft drücken die hohen Kosten bereits auf das Neugeschäft und führten im April zum stärksten Stimmungsdämpfer aller Wirtschaftssektoren. „Nach dem Einbruch im Vormonat hat sich die Stimmung der heimischen Konsumenten nur geringfügig konsolidiert. Trotz der Lockerung der Pandemiemaßnahmen für Handel und Gastgewerbe und der anhaltenden Verbesserung am Arbeitsmarkt nahm der Rückenwind für den Dienstleistungssektor weiter ab“, meint Bruckbauer.
Die österreichische Wirtschaft ist stark ins Jahr 2022 gestartet und hat den pandemiebedingten Rückgang aufgrund der Lockdowns im vierten Quartal mit einem deutlichen Anstieg des BIP mehr als kompensieren können. Die Wirtschaftsleistung liegt aktuell sogar um mehr als eineinhalb Prozentpunkte über dem Vorpandemieniveau, zuletzt stark gestützt auf ein kräftiges Wachstum der Industrie und der Bauwirtschaft. Zudem hat der Handel und das Gastgewerbe sowie viele persönliche Dienstleistungen von der Lockerung der Pandemiemaßnahmen in den vergangenen Wochen profitiert und für ein Wachstumscomeback des Dienstleistungssektors gesorgt.
„Der fortgesetzte Rückgang des UniCredit Bank Austria Konjunkturindikators zeigt, dass die solide Wachstumsfront zu bröckeln beginnt. Weder die Industrie noch der Bau können unter den derzeitigen Rahmenbedingungen das hohe Aufschwungstempo vom Jahresbeginn fortsetzen. Sie werden in den kommenden Monaten kaum mehr zulegen können, gebremst durch die hohen Kosten und die anhaltenden Lieferprobleme, die sich durch die Lockdowns in Teilen Chinas mit Verzögerung weiter verschärfen dürften“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl und ergänzt: „Entscheidend für die Wachstumsdynamik in Österreich in den kommenden Monaten wird die Entwicklung der Dienstleistungen sein, die durch die Lockerung der Pandemiemaßnahmen positiv unterstützt wird. Allerdings hat sich bereits in den vergangenen Monaten gezeigt, dass die gestiegene Inflation den Konsum belastet.“
„In den kommenden Monaten werden die negativen Folgen des Ukraine-Kriegs stärker für die österreichische Wirtschaft spürbar, Konsum und Investitionen werden belastet. Auch unter der Annahme, dass es zu keiner Unterbrechung von Energielieferungen aus Russland kommt, wird die Erholung insbesondere im zweiten aber auch im dritten Quartal kaum noch vorankommen. Nach dem sehr dynamischen Start ins Jahr gehen wir für 2022 weiterhin von einem Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent aus. Für 2023 erwarten wir eine Verlangsamung des Wachstums auf 2,6 Prozent“, so Pudschedl.
Ukraine-Krieg kommt noch nicht am Arbeitsmarkt an
Die Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt setzt sich trotz der einsetzenden Konjunkturverlangsamung noch fort und trotzt damit vorerst den Belastungen durch den Krieg in der Ukraine. Im April ist die saisonbereinigte Arbeitslosenquote auf 6,2 Prozent gesunken. Zuletzt war die Arbeitslosenquote in Österreich im November 2008 so niedrig. Da die Anzahl für Kurzarbeit angemeldeter Personen mittlerweile nur noch bei rund 50.000 liegt und die Anzahl offener Stellen mit rund 130.000 konstant hoch liegt, sollte sich die günstige Entwicklung am Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten fortsetzen. „Aufgrund der bisher sehr günstigen Entwicklung haben wir trotz der zu erwartenden Beeinträchtigungen durch den Krieg in der Ukraine für den Arbeitsmarkt unsere Prognose für die Arbeitslosenquote auf 6,3 Prozent im Jahresdurchschnitt 2022 zurückgenommen. Auch für 2023 erwarten wir mit 6,1 Prozent mittlerweile eine geringere Arbeitslosenquote“, meint Pudschedl. Damit wird die Arbeitslosenquote in Österreich den niedrigsten Wert seit 14 Jahren erreichen.
Mit dem Rückgang der Anzahl der Arbeitssuchenden auf knapp über 250.000 wird die Lage am österreichischen Arbeitsmarkt enger und der Mangel an Facharbeitern rückt immer stärker in den Mittelpunkt. Die Stellenandrangzahl ist im April auf 2,0 gesunken. In der Herstellung von Waren, am Bau, bei der Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen und mittlerweile auch im Handel kommen bereits weniger als zwei Arbeitssuchende auf eine offene Stelle. Das Problem ist insbesondere in Oberösterreich und Salzburg besonders gravierend, da in diesen Bundesländern auf eine offene Stelle rechnerisch weniger als ein Arbeitssuchender kommt. Auch in der Steiermark und Vorarlberg ist die Lage überdurchschnittlich stark angespannt. In Wien ist die Stellenandrangziffer mit über 5 am höchsten.
Aufwärtstrend der Inflation hält noch an, EZB wird bald reagieren
Der Krieg in der Ukraine hat zu einer Beschleunigung der Rohstoffpreise geführt, die die Teuerung immer stärker anheizt. Im April stieg die Inflationsrate auf 7,2 Prozent im Jahresvergleich, wodurch die durchschnittliche Teuerung im ersten Jahresdrittel über 6 Prozent betrug. Bis zur Jahresmitte dürfte der Preisdruck über die Energiepreise sowie zunehmend durch die Nahrungsmittelpreise noch ansteigen und Werte über 7 Prozent im Jahresvergleich erreichen. „In der zweiten Jahreshälfte wird die Stabilisierung der Energiepreise die Inflation verlangsamen. Wir erwarten einen Rückgang der Teuerung auf rund 4 Prozent zum Jahresende und damit für 2022 eine durchschnittliche Inflation von 5,9 Prozent. 2023 sollte die Inflation deutlich absinken, wir gehen von einem Rückgang auf 2,3 Prozent aus“, so Bruckbauer.
In den vergangenen Wochen sind die langfristigen Inflationserwartungen für den Euroraum in Marktumfragen erstmals seit der Einführung des Euros auf über 2 Prozent gestiegen. „Wir gehen davon aus, dass die EZB auf die gestiegenen Inflationserwartungen reagieren und Zinsanhebungen vorziehen wird. Nach der Einstellung des Wertpapierkaufprogramms im Juli könnte der Zinsstraffungszyklus ebenfalls bald beginnen. Insgesamt erwarten wir in den nächsten 12 Monaten die Anhebung der Leitzinsen um 100 Basispunkte, so dass der Einlagenzinssatz in einem Jahr bei 0,50 Prozent liegen sollte,“ meint Bruckbauer. Die Ökonomen der UniCredit Bank Austria gehen somit von einer rascheren Zinsanhebung, jedoch auf das gleiche Endniveau wie bisher erwartet, aus, denn weitere Normalisierungsschritte werden vorerst nicht erfolgen. Dagegen spricht der Rückgang der Inflation im Euroraum unter 2 Prozent im zweiten Halbjahr 2023 sowie der sich voraussichtlich nicht weiter anspannende Arbeitsmarkt aufgrund der dämpfenden Effekte des Kriegs in der Ukraine, was das Risiko von Zweitrundeneffekten beschränkt.
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