UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex im Juni:
Auftragseinbruch stoppt Erholung der österreichischen Industrie
- UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex sank im Juni um über fünf Punkte auf 51,2 Punkte
- Erstmaliger Rückgang der Produktion seit zwei Jahren nach starkem Einbruch des Neugeschäfts
- Beschäftigungsaufbau hält mit nachlassendem Tempo vorerst noch an
- Leichte Entspannung der Lieferengpässe bedingt durch schwächere Nachfrage nach Vorleistungen
- Mit weiterer Abschwächung des Kostenauftriebs dürfte Wendepunkt der Kostendynamik erreicht sein
- Verschlechterung der unmittelbaren Produktionserwartungen sowie der Aussichten auf Jahressicht weisen auf anhaltende Abschwächung der Industriekonjunktur in zweiter Jahreshälfte hin
Nach exakt zwei Jahren kommt der Aufschwung der österreichischen Industrie offenbar zu einem Ende. „Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex fiel im Juni auf 51,2 Punkte. Der Rückgang von über fünf Punkten gegenüber dem Vormonat ist die stärkste Verringerung des Indikators seit April 2020, als unmittelbar nach dem Ausbruch der Pandemie ein strenger Lockdown in Österreich bestand“, analysiert UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer.
Die Entwicklung des UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex im Juni war von einem Rückgang beinahe aller Komponenten gekennzeichnet. „Nur der zeitlich noch nachlaufende Beschäftigungsanstieg als Folge der kräftigen Erholung der vergangenen Monate hat den Indikator vor dem Unterschreiten der Neutralitätsgrenze von 50 Punkten bewahrt. Der starke Einbruch des Neugeschäfts führte erstmals seit zwei Jahren zu einer Verringerung des Produktionsausstoßes der heimischen Industriebetriebe. Bei den Lieferengpässen zeigte sich eine leichte Entspannung, ebenso verlangsamte sich die Kostendynamik und scheint mittlerweile den Höhepunkt überschritten zu haben. In beiden Fällen dürfte dies jedoch eine Folge der nachlassenden Nachfrage sein“, so Bruckbauer.
Die österreichische Industrie erleidet aber kein Einzelschicksal. Die Verschlechterung der Industriekonjunktur liegt im internationalen Trend. „In den meisten Industrieländern ging im Juni nach einer zweijährigen Wachstumsphase die Produktion zurück. In den USA fiel der Output-Rückgang entsprechend dem aktuellen Produktionsindex von 49,6 Punkten nur geringfügig aus und auch in der Eurozone insgesamt war der Einbruch des Produktionsindex auf 49,3 Punkte moderat. Allerdings sank neben Österreich die Produktion auch in Frankreich und vor allem in der europäischen Konjunkturlokomotive Deutschland überdurchschnittlich stark“, so Bruckbauer und ergänzt: „Wenn auch der Rückgang im Juni zumeist nur leicht war, lässt der starke Auftragsrückgang eine beschleunigte Fortsetzung der Konjunkturverschlechterung in den kommenden Monaten sowohl in den USA als auch in ganz Europa erwarten. Diesem Trend wird sich die österreichische Industrie kaum entziehen können“, meint Bruckbauer.
Weniger Neuaufträge, Produktion wurde zurückgefahren
Das zweite Mal in Folge konnten die heimischen Industriebetriebe nur mehr weniger Neuaufträge als im Vormonat verbuchen. Nach dem moderaten Rückgang der Nachfrage im Mai brach das Neugeschäft im Juni regelrecht ein. Der Auftragsindex sank auf 41,2 Punkte, den niedrigsten Wert seit zwei Jahren, als die Corona-Pandemie gerade ausgebrochen war. „Der deutliche Einbruch der Nachfrage nach österreichischen Industrieerzeugnissen im Juni ist hauptsächlich auf die besonders ungünstige inländische Auftragsentwicklung zurückzuführen, doch auch aus dem Ausland kam viel weniger Neugeschäft. Nachdem die heimischen Betriebe im Vormonat durch die Aufarbeitung von Auftragsrückständen den Nachfragerückgang noch kompensieren konnten, führte die erneute, beschleunigte Abnahme des Neugeschäfts zu einer Verringerung der Produktion“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. Der Produktionsindex sank im Juni auf ¬ im europäischen Vergleich niedrige ¬ 48,4 Punkte. Erstmals seit Juni 2020 wurde damit die Produktion in der österreichischen Industrie nicht mehr ausgeweitet.
Die nachlassende Nachfrage nach Vorleistungen konnte im Juni zumindest bestehende Lieferprobleme abmildern und die Engpässe in den Lieferketten verbesserten sich geringfügig. Auch die Lieferzeiten verlängerten sich im Juni deutlich langsamer als in den Monaten davor. Der entsprechende Index stieg auf das Niveau von Ende 2020. Damit ist die Lage allerdings weiterhin weit von den Bedingungen vor Ausbruch der Pandemie entfernt.
Höhepunkt der Teuerung überschritten?
Die Probleme in den globalen Lieferketten führten erneut zu einer Verringerung des Zuwachses der Einkaufsmenge der heimischen Industrie. Dennoch beschleunigte sich der Aufbau der Lagerbestände an Vormaterialien stark. Neben der Anpassung der Produktion an die geringere Nachfrage wurde dies durch einzelne fehlende Komponenten verursacht, sodass auch lagernde Vormaterialien nicht in der Produktion verarbeitet werden konnten. Die Bestände in den Auslieferungslagern stiegen daher deutlich langsamer. Aufgrund der spürbar nachlassenden Nachfrage nahmen die Bestände an Fertigwaren jedoch so stark zu, wie zuletzt vor zwei Jahren.
Die Einkaufspreise kletterten im Juni wieder stark nach oben, wenn auch mit deutlich geringerem Tempo als im Vormonat und sogar nur mehr mit der zweitniedrigsten Rate seit eineinhalb Jahren. Der Index der Einkaufspreise sank auf 81,6 Punkte. „Aufgrund der angebotsseitigen Engpässe in der Produktion und im Transport blieb der Preisauftrieb in der heimischen Industrie für den Einkauf von Vormaterialien und Rohstoffen sehr hoch. Die sinkende Nachfrage trug jedoch zu einer Entspannung des Preisauftriebs bei und bekräftigte die Erwartung, dass der Wendepunkt der Kostendynamik bereits erreicht worden ist“, meint Pudschedl. Auch die Verkaufspreise konnten deutlich angehoben werden, allerdings nicht mehr so stark wie im Vormonat. Die heimischen Betriebe waren im Juni nicht in der Lage, den Kostenanstieg in vollem Umfang an die Kunden weiterzugeben, sodass sich im Durchschnitt die Ertragslage verschlechtert haben dürfte.
Jobmaschine Industrie läuft noch auf Hochtouren
Während sich die Industriekonjunktur deutlich verschlechtert hat, blieb der Anstieg der Beschäftigung als Folge des kräftigen Erholungstempos der vergangenen Monate noch hoch, da Nachholbedarf bei der Besetzung offener Stellen bestand. Im Juni verlangsamte sich der Jobaufbau zwar erneut, mit 56,4 Punkten erreichte der Beschäftigtenindex dennoch weiterhin einen im langjährigen Vergleich überdurchschnittlich hohen Wert.
„Die Arbeitslosenquote in der heimischen Industrie beträgt aktuell weniger als 3 Prozent. Der zeitliche Rückstand bei der Rekrutierung von neuem Personal aufgrund des hohen Erholungstempos, den die hohe Anzahl an offenen Stellen widerspiegelt, spricht für eine positive Entwicklung am Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten. Im Gesamtjahr 2022 wird die Arbeitslosenquote nach höheren Werten zu Jahresbeginn im Durchschnitt voraussichtlich nur knapp über 3 Prozent betragen, nach noch 4,0 Prozent im Vorjahr. Der Vorkrisenwert aus 2019 von 3,7 Prozent wird damit voraussichtlich klar unterschritten werden“, meint Pudschedl. Damit wird die Arbeitslosenquote in der Industrie weiterhin nur etwa halb so hoch ausfallen, wie jene in der Gesamtwirtschaft von voraussichtlich 6,3 Prozent im Jahresdurchschnitt 2022.
Ungünstige Konjunkturaussichten für das zweite Halbjahr
Der aktuelle Rückgang des UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex zeigt eine beschleunigte Fortsetzung der seit dem Jahresbeginn laufenden Abkühlung der Industriekonjunktur in Österreich. Der starke Einbruch der Nachfrage hat sogar zu einer Verringerung der Produktion gegenüber dem Vormonat geführt. Damit steht die österreichische Industrie aufgrund der Folgen der Lieferkettenprobleme sowie der Belastungen durch den starken Anstieg der Rohstoffpreise, insbesondere von Energie, zur Mitte des Jahres am Ende eines zweijährigen Aufschwungs. Der starke Rückgang des Neugeschäfts lässt darauf schließen, dass in den kommenden Monaten die eingelangten Aufträge mit den vorhandenen Beständen im Fertigwarenlager auch mit verringerter Produktion erfüllt werden können. Zudem sind im Juni erstmals seit zwei Jahren auch die Auftragspolster nicht mehr gestiegen.
Nicht nur die unmittelbaren Aussichten für die Industriekonjunktur haben sich verschlechtert. „Der Index für die Produktionserwartungen auf Jahressicht ist im Juni auf 43,6 Punkte gefallen und damit erstmals seit dem Höhepunkt der Pandemie unter die neutrale Schwelle von 50 Punkten gesunken. Die Mehrzahl der österreichischen Industriebetriebe erwarten demnach rückläufige Umsätze innerhalb der kommenden zwölf Monate“, so Bruckbauer und ergänzt: „Nach dem kräftigen Anstieg der Industrieproduktion in den ersten Monaten des laufenden Jahres gehen wir trotz der trüben Konjunkturaussichten für das zweite Halbjahr von einem insgesamt noch leichten Produktionsplus im Jahresdurchschnitt 2022 aus, nachdem 2021 noch ein zweistelliges Wachstum erreicht wurde.“
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UniCredit Bank Austria Economics & Market Analysis Austria
Walter Pudschedl, Tel.: +43 (0)5 05 05-41957;
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