15.07.2022

UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator:
Abkühlung der Konjunktur in Österreich wird breiter

  • Der Dienstleistungssektor wird seine hohe Dynamik im zweiten Halbjahr 2022 nicht fortsetzen können
  • Trotz Rekordbeschäftigung dürfte das Tempo der Arbeitsmarkterholung abnehmen 
  • Inflationsraten wohl weiter deutlich über 7 Prozent, erst ab Sommer 2023 Entlastung zu erwarten
  • Konjunktursorgen dämpfen die überschießende Zinsphantasie an den Finanzmärkten, zumindest vorläufig

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Im Juni kam es erneut zu einer leichten Verschlechterung der Konjunkturstimmung in Österreich. „Eine weitere leichte Verschlechterung der Industriestimmung in wichtigen Absatzmärkten und die Eintrübung der Stimmung im Dienstleistungssektor in Österreich führten zu Beginn des Sommers zu einem weiteren leichten Rückgang des Konjunkturklimas in Österreich. Der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator ist im Juni auf minus 0,2 Punkte gesunken und fiel damit auf den niedrigsten Wert seit Jänner 2021“, sagt UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer und ergänzt: „Die leichte Erholung der Industriestimmung im Land nach dem Einbruch im Mai und die stabile, wenn auch im Vergleich zum Jahresbeginn deutlich reduzierte Stimmung am Bau beschränkten den Rückgang unseres Konjunkturindikators im Juni.“ 

In praktisch allen Bereichen der österreichischen Wirtschaft stellt sich das Konjunkturklima zu Beginn des Sommers 2022 deutlich schwächer dar also noch zu Jahresbeginn oder gar vor einem Jahr. „Besonders stark fiel der Stimmungseinbruch in den letzten sechs Monaten bei den Konsumenten aus, aber auch die Auslandsnachfrage, die Industriestimmung und die Stimmung in der Bauwirtschaft waren im Sommer deutlich eingetrübt“, meint Bruckbauer. 

Im Dienstleistungssektor, der in den ersten Monaten des Jahres von den Öffnungsschritten nach dem Lockdown profitierte, hat sich nun die Stimmung ebenfalls wieder eingetrübt. Auch in der Bauwirtschaft sanken die Auftragseingänge weiter und das Aktivitätswachstum ging zurück, gleichzeitig blieb die Stimmung am Bau jedoch noch überdurchschnittlich gut, nicht zuletzt auch weil Preissteigerungen durchsetzbar waren. Allerdings ist die Unsicherheit weiterhin sehr hoch im Bausektor. 

Im Dienstleistungssektor, der von der Lockerung der Pandemiemaßnahmen profitierte, meldeten die Unternehmen in den letzten Monaten zwar eine überdurchschnittliche Dynamik, jedoch sind die Erwartungen für die nächsten Monate, obwohl noch immer positiv, inzwischen deutlich abgekühlt. „Auch im Dienstleistungssektor rechnen weiterhin viele Unternehmen damit, höhere Preise durchsetzen zu können, die gemeldete Unsicherheit über die Zukunft stieg jedoch auf ein Zehn-Jahres-Hoch“, so Bruckbauer.  

Wirtschaftswachstum fällt gegenüber Jahresbeginn stark ab
Der aktuelle UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator signalisiert, dass die österreichische Wirtschaft im Vergleich zum Jahresbeginn weiter Wachstumstempo verliert. „Die weitere Konjunkturerholung im Dienstleistungssektor im zweiten Halbjahr 2022 wird zwar teilweise die nachlassende Dynamik der Industrie und der Bauwirtschaft auffangen können, das Ausmaß wird jedoch hinter dem zurückbleiben, was noch zu Jahresbeginn erwartet wurde“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. 

„Mit dem erneuten leichten Rückgang des UniCredit Bank Austria Konjunkturindikators im Juni bestätigt sich unsere Erwartung einer deutlich schwächeren Konjunktur im zweiten Halbjahr 2022 und wohl auch noch zu Jahresbeginn 2023. Durch den starken Jahresbeginn wird das reale Wirtschaftswachstum 2022 bei 4,4 Prozent liegen und aufgrund der Abschwächung 2023 bei mageren 1,5 Prozent“, meint Pudschedl. Die hohen Preissteigerungen werden die Wirtschaft sowohl über die Investitionstätigkeit als auch den Konsum noch im kommenden Jahr spürbar drosseln. 

Weiterhin Verbesserung am Arbeitsmarkt, aber mit geringerem Tempo
Die Verlangsamung der Konjunktur zeigt sich zunehmend auch am österreichischen Arbeitsmarkt. Der Verbesserungstrend der vergangenen Monate setzt sich zwar weiter fort, gleichzeitig lässt die Dynamik der Verbesserung nach. So erreichte die Arbeitslosenquote im Juni mit 5,5 Prozent den niedrigsten Juni-Wert seit 2008, noch vor der Finanzkrise und mit knapp unter 4 Millionen unselbständig Beschäftigten wurde im Juni der höchste Beschäftigtenstand in der Geschichte Österreichs erreicht, „Mit erwarteten 6,3 Prozent Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2022 dürfte die Arbeitslosenquote heuer deutlich unter 2021 liegen, im zweiten Halbjahr und vor allem 2023 wird es jedoch zu keiner weiteren erkennbaren Verbesserung mehr kommen“, meint Pudschedl. Für 2023 erwarten die Ökonomen der UniCredit Bank Austria nur mehr einen schwachen Rückgang der Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent auf 6,1 Prozent im Jahresdurchschnitt.

Höhere Inflation, schwächere Konjunktur, was tut die EZB?
Angesichts der angespannten und weiterhin sehr volatilen Preisentwicklung von Energie, allen voran Gas, gestaltet sich die Prognose für den weiteren Verlauf der Inflationsrate in Österreich besonders herausfordernd. „Unter Berücksichtigung der derzeitigen Energiepreise an den Märkten und der Preiserwartungen der Unternehmen ist kaum mit einem Rückgang der Inflationsraten bis in den Herbst in Österreich zu rechnen“, meint Bruckbauer und ergänzt, „aus heutiger Sicht dürfte es erst nach dem Sommer nächsten Jahres wieder Inflationsraten geben, die im Bereich von zwei Prozent liegen“. Allerdings sind diese Erwartungen stark von der weiteren Entwicklung bei den Energiepreisen abhängig.

Vor allem der Krieg in der Ukraine führt zu einem ständigen Überschießen der Energierohstoffpreise im Vergleich zur erwarteten Entwicklung, was dann auch zu deutlich höheren Inflationsraten führt als prognostiziert. „Die deutlich über den Erwartungen liegenden Inflationsraten, gemeinsam mit der gestiegenen mittelfristigen Inflationserwartung, haben zu einer radikalen Änderung der Notenbankpolitik, auch im Euroraum, geführt“, sagt Bruckbauer. Während bisher ein „gradueller“ Ansatz gefahren wurde, hat die EZB im Verlauf der letzten Monate mit deutlich schärferen Tönen hinsichtlich ihrer geplanten Zinserhöhungen den Markt beeindruckt, was im Verlauf des Juni zum schärfsten Anstieg langfristiger Realzinsen in der Geschichte des Euroraums führte. 

„Den scharfen Realzinsanstieg im Euroraum im Verlauf des Juni an den Finanzmärkten haben die zunehmenden Konjunktursorgen, zumindest vorläufig, gestoppt. In diesem Umfeld erwarten wir von der EZB nach 25 Basispunkten im Juli und 50 Basispunkten im September noch weitere vier 25er-Zinsschritte bis März 2023“, so Bruckbauer. „Der Finanzmarkt, der noch vor einer Woche einen Geldmarktsatz im Euroraum von über zwei Prozent für Ende 2023 erwartete, liegt nun nur mehr knapp über unserer eigenen Erwartung von 1,4 Prozent“, ergänzt Bruckbauer. 

Rückfragen
UniCredit Bank Austria Economics & Market Analysis Austria 
Stefan Bruckbauer, Tel.: +43 (0) 5 05 05-41951;
E-Mail: stefan.bruckbauer@unicreditgroup.at 
 
Grafik Österreich Konjunkturprognose

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