28.07.2022

UniCredit Bank Austria Branchenbericht Kfz-Wirtschaft:
Ende der Krise im Autohandel erst für 2023 in Sicht

  • Österreichs Autohandel verbucht von Jahresanfang bis April 2022 einen Umsatzrückgang von 6 Prozent nominell 
  • 2021 ist der Spartenumsatz um 11,7 Prozent nominell auf 33,7 Milliarden Euro gestiegen, hat das Vorkrisenniveau aber noch verfehlt 
  • Mögliche Erholung der Autohandelskonjunktur verschiebt sich auf 2023 
  • Das Auto verliert nur langsam an Bedeutung; der Kfz-Handel wird mit der Umstellung der Flotte auf E-Autos stärker unter Druck geraten 

Österreichs Autohandel steckt in seiner schwersten Krise seit Jahrzehnten. Die Fahrzeugnachfrage ist seit dem Rekordergebnis 2017 rückläufig. Im ersten Halbjahr 2022 sind die Pkw-Neuzulassungen um rund ein Fünftel gesunken, wobei erstmals auch weniger Elektroautos registriert worden sind. Allerdings bremsten die höheren Fahrzeugpreise die nominellen Umsatzeinbußen des Kfz-Handels. „Vor dem Hintergrund der rückläufigen Absatzzahlen sind die seit mehr als zwei Jahren steigenden Pkw-Anschaffungskosten bemerkenswert und ein Hinweis auf höhere Listenpreise und kaum Preisnachlässe im Neuwagengeschäft“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Günter Wolf. Die pessimistischen Geschäftserwartungen der Kfz-Händler im Juni 2022 signalisieren zumindest im dritten Quartal weitere Umsatzeinbußen. Erst 2023 sollte der Neuwagenabsatz in Österreich wieder langsam zulegen, falls sich das äußerst volatile wirtschaftliche Umfeld stabilisiert.

Krise im Fahrzeughandel setzt sich 2022 fort, Erholung ist erst 2023 zu erwarten
Der Kfz-Handel durchläuft seit 2020 seine schwerste Krise seit Jahrzehnten. Seit dem Rekord an Neuzulassungen 2017 von 353.000 Pkw sind die Neuwagenverkäufe in Österreich rückläufig. Im ersten Halbjahr 2022 wurden sogar um 19,2 Prozent weniger Neuwagen registriert als im Vorjahr. Falls es in der zweiten Jahreshälfte zu keiner nachhaltigen Trendwende kommt, werden 2022 erstmals seit 1981 wieder weniger als 200.000 Pkw zugelassen. 

Die rückläufigen Pkw-Absatzzahlen spiegeln sich im Umsatz der Kfz-Händler: 2021 konnte die Sparte ihr Umsatzminus aus 2020, auch aufgrund höherer Gebrauchtwagenverkäufe, mit einem nominellen Plus von 11,7 Prozent zwar knapp ausgleichen. Allerdings blieb das Umsatzvolumen mit 33,7 Milliarden Euro weiterhin unter dem Vorkrisenniveau. Bis April 2022 ist der Umsatz im Kfz-Handel wieder um 6 Prozent nominell gesunken. „Die zuletzt im Juni 2022 noch sehr pessimistischen Geschäftserwartungen der Kfz-Händler signalisierten zumindest für das dritte Quartal weitere Umsatzeinbußen im Autohandel“, sagt Wolf und ergänzt: „Im Juni erwarteten per Saldo 55 Prozent mehr Kfz-Händler einen Rückgang als einen neuerlichen Anstieg ihrer Geschäftstätigkeit in den nächsten Monaten. Damit waren Österreichs Autohändler ähnlich pessimistisch wie zuletzt Mitte 2020.“

Das Umsatzminus im Fahrzeughandel bis April 2022 konnte zum Teil mit einem Umsatzzuwachs im Bereich der Kfz-Werkstätten von 5,7 Prozent nominell abgefedert werden. Im Werkstättenbereich sind im Juni auch die Geschäftserwartungen per Saldo noch leicht optimistisch geblieben und lassen weitere Zuwächse erwarten. Die Fahrzeughändler können zwar seit Jahren die schwache Entwicklung der Handelsumsätze immer wieder mit steigenden Werkstatteinnahmen alimentieren. Allerdings kann das Minus im Handelsbereich aufgrund des deutlich niedrigeren Umsatzvolumens der Kfz-Werkstätten von 5,4 Milliarden Euro nur zum Teil ausgeglichen werden. 

Pkw-Anschaffungskosten steigen erstmals seit Jahren wieder stärker
Den Kfz-Handel belastet nicht nur die schwache Autonachfrage, sondern auch das fehlende Neuwagenangebot aufgrund der Lieferprobleme der Fahrzeughersteller. Der Mangel an Neufahrzeugen hat wiederum die Gebrauchtwagennachfrage angekurbelt und damit auch in dem Segment Angebotsengpässe verursacht. In weiterer Folge sind die Autopreise gestiegen, gemessen an den Pkw-Anschaffungskosten für Neu- und Gebrauchtwagen 2020 und 2021 um durchschnittlich 2,9 Prozent im Jahr und im ersten Halbjahr 2022 um 12,3 Prozent. 

Der Preisanstieg ist vor dem Hintergrund der stark rückläufigen Absatzzahlen bemerkenswert und ein Hinweis auf höhere Listenpreise für Neuwagen sowie darauf, dass kaum Preisnachlässe gewährt wurden. Vor 2020 stagnierten die Anschaffungskosten für neue und gebrauchte Kfz in Österreich über ein Jahrzehnt, trotz der höheren Nachfrage nach stärker motorisierten und vielfach teureren Fahrzeugen. Die schwache Entwicklung der Pkw-Anschaffungskosten war unter anderem die Folge der hohen Preisnachlässe im Neuwagenhandel.

Die wieder stärker steigenden Fahrzeugpreise erklären sich auch damit, dass etwa seit Mitte 2021 der Nachfrage im Gebrauchtwagenmarkt kein ausreichend hohes Angebot gegenübersteht. Im ersten Halbjahr 2022 wurden Neuwagen um durchschnittlich 7 Prozent, Gebrauchtwagen aber um durchschnittlich 18 Prozent teurer. Auf jeden Fall bremsten die höheren Fahrzeugpreise die nominellen Umsatzeinbußen des Kfz-Handels, der bis April 2022 preisbereinigt ein Minus von 12,7 Prozent und nominell von 6 Prozent verbuchte.

Eine nachhaltige Entspannung des Neu- und Gebrauchtwagenmarktes kann in Österreich frühestens 2023 unter der Voraussetzung erwartet werden, dass sich das äußerst volatile wirtschaftliche Umfeld stabilisiert und es zu keinen weiteren Lieferschwierigkeiten der Fahrzeughersteller kommt. 

Das Auto verliert nur langsam an Bedeutung
Der motorisierte Individualverkehr wird in Zukunft an Bedeutung verlieren, wobei die Transportleistung mit dem Pkw (die Zahl der im Jahr mit einem Pkw beförderten Personen, multipliziert mit der zurückgelegten Wegstrecke) zwar zunimmt, aber langsamer als mit anderen Verkehrsmitteln. Im aktuellen EU-Referenzszenario wird für Österreich von 2020 bis 2050 ein Zuwachs der gesamten Personenverkehrsleistung ohne Flüge von 1,4 Prozent im Jahr prognostiziert und davon mit privaten Kfz von 1,1 Prozent. Das heißt auch, dass trotz der Veränderungen des Mobilitätsverhaltens der Bevölkerung der Fahrzeugbestand weiter wächst. 

Die Fahrzeugnachfrage wird in Zukunft aber in erster Linie von der Umstellung der Flotte auf Elektro- oder Hybridantriebe geprägt sein. In Österreich hat der Anteil von rein elektrisch betriebenen Pkw und Plug-In-Hybridfahrzeugen an den Neuzulassungen 2021 bereits 20 Prozent erreicht und der Anteil der Fahrzeuge am gesamten Pkw-Bestand 2,1 Prozent. Die Neuzulassungen von E-Autos und Plug-In-Hybriden sind im ersten Halbjahr 2022 zwar erstmals gesunken, in Summe um 9,6 Prozent. Allerdings ist der Anteil am Pkw-Bestand weiter gestiegen, auf etwa 2,4 Prozent, da die Neuzulassungen von Pkw mit Verbrennungsmotoren mit 24 Prozent erheblich stärker eingebrochen sind. 

Kfz-Wirtschaft verliert Geschäftsmöglichkeiten
„Es steht außer Zweifel, dass trotz des lückenhaften E-Tankstellennetzes und der noch wenig überzeugenden Kosten-Nutzen-Relation der E-Autos, vor allem ohne Kaufförderungen, die Elektromobilität in hohem Tempo weiter an Bedeutung gewinnt beziehungsweise gewinnen muss, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen“, sagt Wolf. Die hohen Anschaffungspreise und der kaum vorhandene Gebrauchtwagenmarkt behindern aber noch den Zugang zur Elektromobilität, vor allem für einkommensschwache Gruppen, und damit auch eine flächendeckende Verbreitung der Fahrzeuge. Dazu wird es neue Finanzierungsformen und Besitzermodelle brauchen, wie sie unter den Stichworten Auto-Abos, nutzungsbasierte Angebote oder „Shared Mobility“ zunehmend angeboten werden. 

Der Kfz-Handel wird aufgrund der skizzierten Veränderungen noch stärker unter Druck geraten. Schon in der aktuellen Krise hat sich der Bedeutungsverlust der Autohäuser beschleunigt – vor allem, weil zunehmend auch Neuwagen online gekauft werden. In Zukunft wird der Neuwagenkauf verstärkt zu den Herstellern beziehungsweise markenunabhängigen Vermittlungsportalen wandern und damit die Geschäftsmöglichkeiten der traditionellen Händlernetzwerke weiter einschränken. 

Rückfragen:    
UniCredit Bank Austria Economics & Market Analysis Austria 
Günter Wolf, Tel.: +43 (0) 5 05 05-41954;
E-Mail: guenter.wolf@unicreditgroup.at