UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex im August:
Talfahrt der österreichischen Industrie beschleunigt sich
- UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex sank im August auf 48,8 Punkte, den niedrigsten Wert seit mehr als zwei Jahren
- Starke Verringerung der Produktion nach Verschärfung des Einbruchs im Neugeschäft
- Tempo des Jobaufbaus ließ im August deutlich nach
- Abschwächung der Nachfrage unterstützt Entspannung der Lieferprobleme und Abnahme des Kostenauftriebs
- Konjunkturausblick trübt sich stark ein: Zahl der Industrieunternehmen, die Produktionseinbußen erwarten, ist so hoch wie zum Höhepunkt der Coronakrise im Frühjahr 2020
Die Abkühlung der Industriekonjunktur hat sich Mitte des dritten Quartals erneut verstärkt. „Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex sank im August um fast drei Punkte gegenüber dem Vormonat auf 48,8 Punkte. Damit fiel der Indikator erstmals seit 25 Monaten unter die Wachstumsgrenze von 50 Punkten“, erklärt UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. Nach dem rund zweijährigen Aufschwung, der nach dem Höhepunkt der Coronakrise im Frühjahr 2020 einsetzte, befindet sich die österreichische Industrie seit diesem Sommer auf dem Weg in die Rezession. „Die heimischen Betriebe haben im August deutlich weniger Auftragseingänge als im Vormonat verbuchen können und daher die Produktion stark verringert. Noch nimmt die Beschäftigung zu, aber das Tempo des Stellenaufbaus hat spürbar nachgelassen. Positiv anzumerken ist, dass sowohl die Lieferprobleme als auch der Kostenauftrieb nachgelassen haben. Allerdings vor allem als Folge der geringeren Nachfrage, die auch in den kommenden Monaten für eine rückläufige Entwicklung in der Industrie verantwortlich sein dürfte“, fasst Bruckbauer die wichtigsten Umfrageergebnisse vom August zusammen.
Produktion wurde im August deutlich zurückgefahren
Der Rückgang des UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex gegenüber dem Vormonat war im August auf eine Verschlechterung aller Komponenten zurückzuführen. Besonders stark hat sich der Rückgang der Produktionsleistung und des Neugeschäfts ausgewirkt. Nachdem es im August erneut zu einem deutlichen Einbruch des Auftragseingangs gekommen war, haben die heimischen Betriebe die Produktion eingeschränkt. „Der dritte Produktionsrückgang in Folge fiel erstmals sehr deutlich aus, nachdem in den Monaten davor noch die Aufarbeitung von Auftragsrückständen für eine stabile Auslastung gesorgt hatte. Der Produktionsindex sank auf 45,8 Punkte, den tiefsten Wert seit Mai 2020“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl.
Die Auftragsrückstände haben angesichts des geringeren Neugeschäfts so stark abgenommen wie zuletzt am Höhepunkt der Coronakrise. „Wie der Rückgang des Neugeschäftsindex auf 39,7 Punkte zeigt, fiel das vierte Minus der Auftragseingänge hintereinander gravierender aus als die Produktionseinbußen. Zudem beschleunigten sich die Auftragsverluste im Vergleich zu den Vormonaten sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland“, so Pudschedl.
Gut gefüllte Lager bremsen Auftragsdynamik zusätzlich
Der aktuelle Rückgang der Auftragsentwicklung ist neben der gestiegenen Unsicherheit, der erhöhten Preise und der leicht verschlechterten Finanzierungskonditionen durch die geldpolitische Verschärfung der EZB auch auf bereits gut gefüllte Lagerbestände der Abnehmer der Industrie zurückzuführen. Im August legten sowohl die Bestände an Vormaterialien als auch an Fertigwaren mit sehr hohem Tempo zu. Sowohl die Lagerbestände an Vormaterialien als auch an unverkauften Fertigwaren nahmen jedoch langsamer als im Vormonat zu. Bei den Fertigwaren war die Verlangsamung des Lageraufbaus jedoch nur minimal, da es die Abschwächung der Nachfrage den Betrieben immer schwieriger macht, die Ware am Markt unterzubringen, zumal viele Stornierungen und Abnahmeverschiebungen der Auftragsgeber erfolgten.
Kostenauftrieb ließ weiter nach
Die hohen Energiepreise aber auch steigende Personal- und Transportkosten sorgten im August erneut für einen starken Kostenauftrieb in der heimischen Industrie. Allerdings verlangsamte sich der – weiterhin überdurchschnittlich hohe – Anstieg der Einkaufspreise mittlerweile den vierten Monat in Folge und war nur noch so stark wie zuletzt vor 19 Monaten. Analog zu den Einkaufspreisen blieb der Anstieg der Verkaufspreise zwar stark, er schwächte sich jedoch ebenfalls den vierten Monat in Folge ab.
„Der Anstieg der Rohstoffpreise und Transportkosten sowie die Anhebung der Abgabepreise erfolgen in der heimischen Industrie weiterhin mit unterschiedlich hohem Tempo. Bislang konnten nicht alle Betriebe den Kostenanstieg in den vergangenen zwei Jahren an ihre Kunden weitergeben, sodass sich die Ertragslage durch die Preistrends tendenziell verschlechtert haben dürfte, wenn auch aktuell mit abnehmender Tendenz“, so Pudschedl.
Neben der erneuten Verlangsamung des Kosten- und Abgabepreisanstiegs infolge der Verbilligung mancher Rohstoffe wie z.B. Rohöl weist auch die aktuelle Entwicklung der Auslieferzeiten auf eine weitere Entspannung der Lieferkettenprobleme hin. Die Lieferzeiten der Lieferanten verlängerten sich zwar im August erneut, jedoch mit dem niedrigsten Tempo seit Oktober 2020. Der (inverse) Index stieg auf 41,4 Punkte.
Weniger neue Jobs stoppen Rückgang der Arbeitslosenquote in der Industrie
Die Verlangsamung des Beschäftigungsanstiegs in der heimischen Industrie hat sich im August weiter fortgesetzt. Der Beschäftigtenindex sank den sechsten Monat in Folge auf nunmehr 53,9 Punkte. Aufgrund der nachlassenden Nachfrage und der Verringerung der Produktion in den Betrieben hat sich der Bedarf an zusätzlichen Personal als Folge der zweijährigen Erholungsphase deutlich reduziert.
Das nachlassende Beschäftigungswachstum wirkt sich mittlerweile bereits auf die Entwicklung der Arbeitslosenquote aus, die seit Beginn des Sommers ihren rückläufigen Trend gestoppt hat. Im ersten Halbjahr 2022 war die Arbeitslosenquote in der Sachgütererzeugung auf durchschnittlich 3,2 Prozent gesunken, nach 4,5 Prozent im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
„Im August betrug die saisonbereinigte Arbeitslosenquote in der heimischen Industrie 3,1 Prozent, unverändert gegenüber den Vormonaten. In den kommenden Monaten muss aufgrund der Abschwächung der Konjunktur von einer anhaltenden Verringerung des Beschäftigungswachstums bzw. einer Stabilisierung des Personalstands ausgegangen werden. Damit kann eine leichte Aufwärtsbewegung der Arbeitslosenquote nicht ausgeschlossen werden“, meint Pudschedl und ergänzt: „Im Jahresdurchschnitt 2022 erwarten wir eine Arbeitslosenquote in der Industrie von 3,2 Prozent und damit nur rund halb so hoch wie in der Gesamtwirtschaft mit 6,3 Prozent.“ Im Jahresdurchschnitt 2021 hatte die Arbeitslosenquote in der österreichischen Sachgüterindustrie 4,0 Prozent betragen und in der Gesamtwirtschaft 8,0 Prozent.
Getrübte Aussichten
Fast alle Details der monatlichen Umfrage unter heimischen Produktionsbetrieben weisen auf eine andauernde Talfahrt der Industriekonjunktur in Österreich in den kommenden Monaten hin. Um auf die schwächere Nachfrage zu reagieren, wurde die Produktion bereits zurückgefahren. Die aktuellen Einkaufsmanagerindizes in den wichtigsten Exportdestinationen deuten auf eine anhaltende Abschwächung der Exportnachfrage hin. Der vorläufige Einkaufsmanagerindex für die Industrie der Eurozone ist im August zwar nur geringfügig auf 49,7 Punkte gesunken, liegt damit aber genauso unter der Wachstumsgrenze von 50 Punkten wie der Einkaufsmangerindex in Deutschland, Österreichs wichtigstem Handelspartner.
Auffällig ist dabei vor allem der starke Rückgang der Auftragseingänge, was die österreichische Zulieferindustrie belasten wird. Die Verschlechterung des Exportumfelds ist bereits in Österreichs Industrie angekommen. Das Auftrags-Lager-Index-Verhältnis hat sich im August den vierten Monat in Folge verschlechtert und zeigt damit, dass die Bestände in den Verkaufslagern ausreichen, um die aktuellen Auftragseingänge auch mit einer geringeren Produktionsleistung zu bewältigen.
„Die anhaltenden Lieferengpässe, die hohen Kosten für Vormaterialien und Rohstoffe, steigende Finanzierungskosten, die große Unsicherheit hinsichtlich der Energieversorgung und die Eintrübung der globalen Konjunktur haben im August den Pessimismus der österreichischen Industriebetriebe weiter erhöht. Die Geschäftsaussichten für die kommenden 12 Monate waren die niedrigsten seit dem Höhepunkt der Coronakrise im Frühjahr 2020. Der Erwartungsindex sank auf nur noch 41,2 Punkte“, sagt Bruckbauer. Fast doppelt so viele Unternehmen rechnen bis Jahresende mit einem Produktionsrückgang statt mit einem Anstieg.
„Nach dem Anstieg der Industrieproduktion im ersten Halbjahr 2022 um fast 8 Prozent rechnen wir für die kommenden Monate zwar mit einer Rezession in der Industrie, dennoch wird aufgrund des guten Starts ins Jahr die Industrieproduktion im Jahresdurchschnitt 2022 noch um rund 3,5 Prozent zulegen“, erwartet Bruckbauer. 2021 betrug das Wachstum in der Sachgüterindustrie fast 12 Prozent.
Rückfragen:
UniCredit Bank Austria Economics & Market Analysis Austria
Walter Pudschedl, Tel.: +43 (0)5 05 05-41957;
E-Mail: walter.pudschedl@unicreditgroup.at