UniCredit Bank Austria Branchenüberblick:
Überwiegend trübes Branchenklima im Oktober 2022 kündigt weitere Konjunkturabkühlung an
- In der Industrie hat der Materialmangel im vierten Quartal an Brisanz verloren, zugleich haben die Arbeitskräfteknappheit und Nachfrageprobleme an Gewicht gewonnen
- Mit Ausnahme der Elektronikindustrie und des Maschinenbaus sind die Produktionserwartungen im Oktober in allen größeren Industriebranchen pessimistischer geworden
- Die Bauwirtschaft arbeitet weiterhin auf hohem Niveau, der Baukostenanstieg hat sich etwas verlangsamt
- 2022 war für den Autohandel und viele Einzelhandelssparten ein schwieriges Geschäftsjahr
- Trübes Branchenklima in den meisten Dienstleistungssparten
Österreichs Wirtschaft hat im dritten Quartal 2022 im Vergleich zum ersten Halbjahr deutlich an Wachstumstempo verloren. Die jüngsten Branchenklimaindikatoren vom Oktober zeigen, dass bis Jahresende mit weiteren Wachstumsverlusten zu rechnen ist. Im Sektordurchschnitt sind die Produktions- und Geschäftserwartungen für die nächsten Monate sowohl in der Industrie als auch im Handel und bei den Dienstleistungen per Saldo ins Minus gerutscht, das Branchenklima hat sich in den Sektoren eingetrübt.
(Für die Ermittlung des Branchenklima-Indikators werden die Entwicklung der Produktion und Umsätze bis September 2022 den Konjunkturbefragungsergebnissen vom Oktober 2022 gegenübergestellt.)
Der aktuelle Branchenüberblick der UniCredit Bank Austria zeigt, dass die Produktions- und Geschäftserwartungen für die nächsten Monate im Oktober nur mehr in der Bauwirtschaft, der Elektronik- und Maschinenbauindustrie und in einigen Dienstleistungssparten im Bereich der Freien Berufe mehrheitlich optimistisch geblieben sind. „In Summe lassen die jüngsten Konjunkturbefragungsergebnisse den Schluss zu, dass die Wirtschaftsleistung in Österreich in den letzten Monaten 2022 leicht sinken wird. Da aber die Industrie und der Bau im Sektordurchschnitt noch eine überdurchschnittlich hohe Kapazitätsauslastung und eine überwiegend positive Beurteilung ihrer Auftragslage berichten, sollte der Abschwung nicht tief und nur kurz ausfallen“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Günter Wolf.
Industriekonjunktur rutscht ins Minus
In der Industrie hat der Materialmangel an Brisanz verloren: Für das 4. Quartal 2022 erwarten 28 Prozent der Unternehmen erhebliche Produktionsbehinderungen durch Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen, im 2. Quartal waren es noch 41 Prozent. Gleichzeitig haben aber der Mangel an Arbeitskräften und Nachfrageprobleme an Gewicht gewonnen. Größere Probleme in der Vormaterialbeschaffung belasten noch die Kfz-Industrie, wo 65 Prozent der Unternehmen den Materialmangel als das wesentliche Produktionshindernis im 4. Quartal nannten, in der Elektronikindustrie waren es noch 60 Prozent und im Maschinenbau 48 Prozent der Unternehmen. Während die Kfz-Hersteller die Branchenkonjunktur bereits seit September mehrheitlich negativ beurteilten, berichteten die Unternehmen der Elektronikindustrie und im Maschinenbau auch noch im Oktober gut gefüllte Auftragsbücher. Zudem liegen die Kapazitätsauslastung beider Branchen mit jeweils rund 90 Prozent deutlich über dem Vorkrisenniveau und die Produktionserwartungen für die nächsten Monate unverändert im Wachstumsbereich. In allen anderen größeren Industriebranchen sind die Produktionserwartungen im Oktober per Saldo pessimistischer geworden und kündigen eine weitere Abkühlung der Industriekonjunktur an.
Die Verlangsamung der (europäischen) Investitionskonjunktur infolge der wirtschaftlichen Unsicherheiten und der hohen Energiepreise wird die Nachfrage nach neuen Maschinen auf jeden Fall noch 2022 bremsen. Allerdings können Österreichs Maschinenbauer zumindest einen Teil der zu erwartenden Nachfrageeinbußen in Europa in außereuropäischen Märkten ausgleichen, unter anderem in China und den USA, wo im EU-Vergleich 2022 und auch 2023 etwas höhere Wirtschaftswachstumsraten beziehungsweise geringere Wachstumseinbußen wahrscheinlich sind.
In der Elektroindustrie verbuchte die Sparte Elektronik bis September 2022 ein kräftiges Produktionswachstum von 28 Prozent. Das Plus zeigt den hohen Bedarf an Informations- und Kommunikationstechnik, der der Sparte noch in den nächsten Jahren zugute kommen wird. Die Sparte wird auch in den nächsten Monaten weiter wachsen, wie die positiven Beurteilungen der Aufträge und die überwiegend optimistischen Produktionserwartungen für die nächsten Monate im Oktober zeigten.
Die Produktionsleistung der Elektrotechnik ist mit 4,5 Prozent bis September wesentlich langsamer als in der Elektroniksparte gestiegen. Hier dürfte der Materialmangel die Produktion gebremst haben, was auch die anhaltend gute Beurteilung der Auftragslage sowie die zugleich mit den in der Mehrzahl negativen Produktionserwartungen der Elektrotechnikhersteller erklärt. Stärkere Nachfragezuwächse sind in der Elektrotechnik erst ab 2023 zu erwarten. Die Sparte wird von den öffentlichen Investitionsprogrammen profitieren, die im Rahmen der Aufbau- und Resilienzprogramme in Österreich und auf EU-Ebene gestartet wurden, und vor allem mit dem forcierten Ausbau alternativer Energieversorgungsmöglichkeiten zusammenhängen.
Bauwirtschaft arbeitet weiterhin auf hohem Niveau
Die Bauproduktion ist 2022 bis September um durchschnittlich 14,7 Prozent und damit stärker als in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegen. Seit dem 3. Quartal ist die Baukonjunktur etwas abgekühlt und die Kapazitätsauslastung der Branche ist leicht gesunken, wobei die Auslastung im 4. Quartal noch über dem Zehnjahresschnitt liegt. Im Oktober hielten sich positive und negative Auftragsbeurteilungen im Hoch- und Tiefbau die Waage und lagen im sonstigen Baugewerbe per Saldo weiterhin deutlich im Plus. Wie die Konjunkturbefragungsergebnisse zeigen, wächst die Nachfrage nach neuen Wohn- und Wirtschaftsbauten seit Monaten schwächer als die Nachfrage nach Modernisierungs- und Ausbauarbeiten. Die Neubaubewilligungen im Wohnbau sind von einem sehr Niveau kommend bereits seit zwei Jahren rückläufig.
„Die Bauwirtschaft verliert 2022 im Vorjahresvergleich zwar an Schwung, wird aber das Jahr mit einem kräftigen nominellen Plus beenden. Stärkere Wachstumsimpulse kann der Bau auch über 2022 hinaus im Bereich der Hochbausanierungen und voraussichtlich im Tiefbau erwarten“, sagt Wolf. Beide Sparten profitieren von den Förderungen für Klimaschutzmaßnahmen.
Mit der leichten Abkühlung der Baukonjunktur seit Jahresmitte hat sich auch der Baukostenanstieg etwas verlangsamt und erreichte zuletzt im September 7,4 Prozent. In weiterer Folge dürfte der Anstieg der Baupreise im Wohnbau, die den Kosten mit etwas Verzögerung folgen, ebenfalls an Schwung verloren haben. Ein Indikator dafür ist die seit dem zweiten Quartal stark rückläufige Zahl der Unternehmen im Hochbau, die kurzfristig mit Preiszuwächsen rechnen.
2022 war für den Autohandel und viele Einzelhandelssparten ein schwieriges Geschäftsjahr
Der Umsatz des Kfz-Handels (inklusive der Werkstätten) ist bis August 2022 um 4,4 Prozent nominell und 9,4 Prozent real gesunken. Obwohl die Pkw-Erstzulassungen nach über einem Jahr hoher Rückgänge seit August wieder zunehmen, sind die Geschäftserwartungen der Kfz-Händler noch im Oktober per Saldo negativ geblieben und signalisieren weitere Umsatzeinbußen. Hintergrund davon ist die unverändert stark rückläufige Gebrauchtwagennachfrage (die Zulassungen gebrauchter Pkw sind bis September 2022 um durchschnittlich 14,7 Prozent gesunken). Der Autohandel leidet wie viele andere Einzelhandelssparten unter dem schwindenden Konsumentenvertrauen. Seit Juli notiert der Vertrauensindex mit durchschnittlich -32 Punkten auf dem tiefsten bisher erhobenen Niveau.
Der Einzelhandelsumsatz (ohne Tankstellen) verliert seit Mai 2022 an Schwung und ist bis August um durchschnittlich 4 Prozent real gesunken, vor allem bei den Nicht-Lebensmittelsparten. Gleichzeitig haben die Umsätze im Lebensmittelhandel aufgrund der hohen Preissteigerungen nominell stark zugelegt und sind preisbereinigt in etwa gleich geblieben. Wie die seit Juni zunehmend negativen Geschäftserwartungen der Einzelhändler vermuten lassen, ist die Einzelhandelskonjunktur noch stärker abgekühlt. Die hohe Inflation, die Reallohnverluste und die gestiegene Unsicherheit dämpfen die Kauffreudigkeit der Konsumenten. Erst 2023 kann mit einem stärkeren Nettoreallohnanstieg aufgrund der Einkommenssteuerreform und niedrigerer Inflationsraten gerechnet werden, was letztendlich dem Einzelhandel zugute kommen sollte.
Trübes Branchenklima in den meisten Dienstleistungssparten
Im Verkehrsbereich sind die unternehmerischen Erwartungen aller zentralen Sparten im Oktober per Saldo ins Minus gerutscht. Besonders pessimistisch zeigten sich die Spediteure. Auch im Landverkehr dämpfen die wirtschaftlichen Unsicherheiten die Nachfrageerwartungen der Unternehmen und bremsen die Spartenkonjunktur in der zweiten Jahreshälfte 2022, wie der leichte Rückgang der Lkw-Fahrleistung in Österreich seit Juni bereits ankündigte.
Nach den hohen Zuwächsen im ersten Halbjahr 2022 leidet die Reisefreudigkeit in- und ausländischer Gäste zunehmend unter den wirtschaftlichen Unsicherheiten und den hohen (Treibstoff-)Preisen. Die Nachfrageerwartungen der Unternehmen beider Sparten sind seit August per Saldo wieder ins Minus gerutscht. Voraussichtlich kann das Beherbergungs- und Gaststättenwesen die pandemiebedingten Umsatzausfälle voraussichtlich erst 2023 ausgleichen.
Schließlich bleiben die wirtschaftsnahen Dienste von den wirtschaftlichen Turbulenzen nicht verschont. Im Oktober haben sich die Nachfrageerwartungen nur bei den freien Berufen verbessert. In allen anderen Sparten muss zumindest mit einer Verlangsamung des Umsatzwachstums beziehungsweise in der Werbung noch 2022 mit Umsatzeinbußen gerechnet werden.
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Günter Wolf, Tel.: +43 (0) 5 05 05-41954;
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