28.11.2022

UniCredit Bank Austria Konjunktureinschätzung 2023/24:
Hohe Inflation und schwache Konjunktur fordern die Wirtschaftspolitik

  • Gegenwind durch geldpolitische Straffung, hohe Inflation und anhaltende geopolitische Spannungen bremsen die globale Wirtschaft 2023 stark ein und lassen nur zaghafte Erholung 2024 zu 
  • Hohe Wahrscheinlichkeit einer Rezession zum Jahreswechsel 2022/23 im Euroraum und etwas verzögert auch in den USA, auf die voraussichtlich eine Erholung mit unterdurchschnittlichem Tempo folgen wird
  • Unterschiedliche Inflationsursachen in den USA und im Euroraum, aber ähnlicher Verlangsamungstrend in Richtung des Ziels der Notenbanken für die Inflation von 2 Prozent bis Mitte 2024 
  • Leitzinsen sollten im Frühjahr 2023 ihren Höhepunkt bei 5 Prozent in den USA und 3,25 Prozent (Refinanzierungszinssatz) im Euroraum erreichen 
  • Geldpolitische Wende mit Zinsreduktion um insgesamt 150 Basispunkte in den USA und 75 Basispunkte im Euroraum im Jahr 2024 erwartet
  • Schrittweise Korrektur der Stärke des US-Dollars. Wir erwarten den Wechselkurs des USD per Euro bis Ende 2024 zurück bei 1,10 bis 1,12 USD
  • Globale Konjunkturschwäche und hohe Inflation führen zu Rezession in Österreich über den Winter
  • Stagnation mit BIP-Anstieg um nur 0,3 Prozent 2023 und moderates Wachstum von 1,2 Prozent 2024 in Österreich erwartet 
  • Delle in der Industriekonjunktur: UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex betrug im November 46,6 Punkte und liegt damit den vierten Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle 
  • Trotz schwacher Konjunktur stabiler Arbeitsmarkt: Arbeitslosenquote 2023 mit 6,4 Prozent und 2024 mit 6,3 Prozent erwartet 
  • Inflation überschreitet in Österreich zweistelligen Höhepunkt im Winter und sinkt auf 6,5 Prozent im Jahresdurchschnitt 2023 und 3,0 Prozent 2024 
  • Ungewöhnlich hohe Konjunkturrisiken durch geopolitische Unsicherheiten, (Energie)- Rohstoffpreistrends sowie Risiken für die Finanzstabilität durch Überschießen der Geldpolitik

„Die Weltwirtschaft sieht sich mit zunehmendem Gegenwind konfrontiert. Die synchron laufende, stärkste und schnellste Straffung der Geldpolitik seit Jahrzehnten wird die Auswirkungen der hohen Inflation und der schweren Irritationen bei den internationalen Tauschverhältnissen in vielen Ländern (so genannte Terms-of-Trade-Schocks) verstärken. Die anhaltenden geopolitische Spannungen werden weiter für Verunsicherung sorgen“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer einleitend zum aktuellen Konjunkturüberblick der UniCredit Bank Austria und ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass das globale BIP im Jahr 2023 nur um 1,9 Prozent steigen wird, was de facto einer Rezession gleichkommt. In den großen entwickelten Wirtschaftsräumen USA und der Eurozone ist im kommenden Jahr mit einer Stagnation zu rechnen.“ 

Die Wirtschaftsentwicklung wird in der Eurozone zum Jahreswechsel 2022/23 und in den USA im Verlauf des ersten Halbjahres 2023 voraussichtlich von einer technischen Rezession geprägt sein. „Trotz der Abschwächung der globalen Konjunktur, der hohen Energiekosten für die Unternehmen und dem Kaufkraftverlust durch sinkende Reallöhne erwarten wir eine nur milde Rezession. Die unterstützende Fiskalpolitik, die günstige Liquiditätslage im Unternehmenssektor und die hohen Ersparnisse der Haushalte sowie die weitere Entspannung der Lieferkettenprobleme und stabile Arbeitsmärkte sollten einen tiefen Einbruch verhindern“, meint Bruckbauer und ergänzt: „Noch in der ersten Jahreshälfte 2023 wird die Wirtschaft zu einer Erholung ansetzen. Aufgrund der verzögerten Wirkung der Geldpolitik erwarten wir sowohl in den USA als auch in der Eurozone mit einem Wirtschaftswachstum um 0,9 bzw. 1,0 Prozent für 2024 nur ein unterdurchschnittliches Aufschwungstempo, trotzdem scheint der derzeitige Pessimismus etwas zu stark zu sein.“

Wende in der Geldpolitik 2024 nach Verschärfung bis ins Frühjahr 2023
Die Inflation in den USA ist hauptsächlich nachfragegetrieben, ausgelöst durch eine zu lockere Finanz- und Geldpolitik während der Pandemie. Die Inflation in der Eurozone ist dagegen überwiegend kostengetrieben, als Folge hoher Preise für Energieimporte. Die ungleiche Quelle des Inflationsschocks ist für das unterschiedliche Ausmaß der Verschärfung der Geldpolitik in den beiden Wirtschaftsräumen verantwortlich. 

„Die Zentralbanken werden die Zügel der Geldpolitik weiter anziehen und dabei nach unserer Ansicht etwas übers Ziel hinausschießen, um im Kampf gegen die Inflation auf Nummer sicher zu gehen. Wir gehen davon aus, dass die Leitzinsen in den USA bei 5 Prozent und der Refinanzierungssatz in der Eurozone bei 3,25 Prozent (Einlagensatz: 2,75 Prozent) im Frühjahr 2023 ihren Höhepunkt erreichen werden. Die quantitative Straffung der EZB wird zudem bald darauf folgend eine Verringerung des Wertpapierbestands aus den Ankaufprogrammen um etwa 15 Milliarden Euro pro Monat beinhalten“, erwartet Bruckbauer. 

Für 2024 gehen die Ökonomen der UniCredit Bank Austria von einem Wendepunkt in der Geldpolitik aus. Die US-Notenbank Fed dürfte die Leitzinsen um insgesamt 150 Basispunkte und die EZB um 75 Basispunkte senken. Mit dem Beginn des Lockerungszyklus und der Verringerung des Zinsdifferenzials wird sich die Stärke des US-Dollars gegenüber dem Euro abbauen. Ende 2024 dürfte der Wechselkurs des US-Dollars wieder bei 1,10 bis 1,12 für einen Euro stehen. 

Inflation sollte bis Mitte 2024 in den Zielbereich der Notenbanken sinken
Trotz unterschiedlicher Ursachen der Inflation in den USA und in der Eurozone ist für die Verlangsamung der Inflation ein einheitliches Muster zu erwarten. Die Güterpreise werden nachfragebedingt zuerst zurückgehen, die Dienstleistungspreise werden mit etwas Verspätung folgen. „Wir gehen davon aus, dass die Inflation bis Ende 2023 auf etwa 3 Prozent in den USA und 2,5 Prozent in der Eurozone zurückgehen wird. Mitte 2024 sollte die Teuerung nur noch bei 2 Prozent liegen und damit in den Zielbereich der Notenbanken zurückgekehrt sein“, so Bruckbauer. Im Jahresdurchschnitt dürfte sich die Inflation im Euroraum nach 8,6 Prozent im Jahr 2022 auf 5,9 Prozent 2023 und auf 2,1 Prozent 2024 abschwächen.

Moderate Erholung nach Winterrezession in Österreich 
Die Konjunktur in Österreich hat sich nach einem starken ersten Halbjahr 2022 mittlerweile deutlich verlangsamt. „Angesichts der Abkühlung der internationalen Konjunktur sowie der hohen Inflation, die den Konsum und die Investitionstätigkeit belasten, erwarten wir für die österreichische Wirtschaft eine leichte Rezession über den Jahreswechsel 2022/23“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl und ergänzt: „Mit der Abschwächung der Teuerung sollte unterstützt von der Entwicklung im Euroraum ab dem Frühjahr eine Erholung einsetzen. Aufgrund des schwachen Jahresbeginns ist für 2023 jedoch nur eine Stagnation mit einem BIP-Anstieg von 0,3 Prozent zu erwarten. Das Erholungstempo bleibt niedrig, gedämpft unter anderem durch die verzögerten Auswirkungen der Verschärfung der Finanzierungsbedingungen. Für 2024 gehen wir von einem Wirtschaftswachstum von nur 1,2 Prozent aus.“ Damit sollte der Anstieg des BIP jedoch erneut leicht über dem Durchschnitt im Euroraum zu liegen kommen. 

UniCredit Bank Austria EinkaufManagerIndex deutet auf Stabilisierung des Industrieabschwungs hin
Die Konjunkturabschwächung in Österreich ist zum einen von einem Abwärtstrend im Dienstleistungssektor gekennzeichnet. Mit der nachlassenden Teuerung und unterstützt durch fiskalische Impulse und der guten Lohnentwicklung wird der Dienstleistungssektor die Erholung ab dem Frühjahr in Österreich anführen. Die heimische Industrie ist bereits in eine Rezession geschlittert und eine baldige Trendwende ist nicht absehbar. Der Produktionssektor wird daher voraussichtlich zeitverzögert der vom Dienstleistungssektor getragenen Erholung der österreichischen Wirtschaft ab 2023 folgen. 

„Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex hat sich im November bei 46,6 Punkten stabilisiert, liegt damit jedoch bereits den vierten Monat in Folge unterhalb der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Die Produktionserwartungen der Unternehmer haben sich im November etwas verbessert, aber der entsprechende Index signalisiert mit 40,9 Punkten einen anhaltenden Rückgang der Produktion in der österreichischen Industrie auf Jahressicht“, meint Pudschedl. 

Während der Beschäftigungsaufbau an Fahrt verliert, ist das Neugeschäft erneut stark zurückgegangen und die Produktion wurde verringert, wenn auch mit etwas reduziertem Tempo. Die schwache Nachfrage schlägt sich auch im Anstieg der Lagerbestände, der Verringerung der Lieferzeiten sowie der deutlichen Entspannung der Einkaufspreise gegenüber dem Vormonat nieder. 

Inflation wird in Österreich langsamer als im Euroraum sinken
Mit dem Nachfragerückgang wird sich auch in Österreich ab dem kommenden Jahr die Inflation abschwächen. „Neben dem Nachfragerückgang sollten Basiseffekte, die weitgehende Stabilisierung der Rohstoffpreise insbesondere für Energie und die weitere Entspannung der Materialengpässe eine Verlangsamung der Inflation von durchschnittlich 8,5 Prozent 2022 auf 6,5 Prozent im Jahr 2023 und 3,0 Prozent 2024 unterstützen. Damit wird die Teuerung in Österreich jedoch langsamer als im Euroraum sinken, da mit mehr Zweitrundeneffekten durch eine höhere Lohndynamik und stärkeren fiskalischen Impulsen zu rechnen ist“, so Pudschedl. 

Enger Arbeitsmarkt sorgt für Herausforderungen
Trotz der schwachen Konjunkturentwicklung wird sich der Arbeitsmarkt in Österreich voraussichtlich als recht widerstandsfähig erweisen. „Wir erwarten nach dem Rückgang der Arbeitslosenquote 2022 auf durchschnittlich 6,4 Prozent eine Stabilisierung bei 6,4 Prozent für 2023 sowie einen leichten Rückgang auf 6,3 Prozent für 2024“, meint Pudschedl. Der Grund für den Optimismus liegt in der derzeitigen Enge am heimischen Arbeitsmarkt. Die Vakanzquote, also die Anzahl der gemeldeten offenen Stellen im Verhältnis zur Beschäftigung ist auf einen Rekordwert von 3 Prozent gestiegen. 

„Der österreichische Arbeitsmarkt ist durch das strukturelle Problem eines Mangels an Arbeitskräften gekennzeichnet. Ursachen sind unter anderem eine zu geringe Frauenbeschäftigungsquote und der Rückgang der durchschnittlichen Arbeitszeit. Eine Anhebung der Beschäftigungsquote in Österreich auf deutsches Niveau oder ein Anstieg der Arbeitszeit pro Beschäftigten um eine Wochenstunde von derzeit durchschnittlich 27 würden jeweils rein rechnerisch die derzeitige Anzahl an offenen Stellen von rund 120.000 vollständig abdecken“, so Pudschedl. 

Hohe Risiken, aber auch Chancen abhängig von geopolitischen Entwicklungen
Der Konjunkturausblick der Ökonomen der UniCredit Bank Austria für die nächsten zwei Jahre ist durch ungewöhnlich hohe Risiken gekennzeichnet. Entscheidend sind vor allem die geopolitischen Unsicherheiten. „Die Wachstumserwartungen sind stark von den geopolitischen Entwicklungen vor allem des Konflikts in der Ukraine und dessen Folgen für Energie- und sonstige Rohstoffpreise abhängig. Diese könnten sich einerseits zwar rascher auflösen als erwartet, andererseits jedoch auch noch deutlich eskalieren. Damit würde neben der Erholung auch die erwartete Beruhigung der Inflation aufgehalten“, meint Bruckbauer und ergänzt: „In diesem Fall wäre ein weiterer Anstieg der Rohstoffpreise und eine Unterbrechungen im Handel und in den Lieferketten zu erwarten. Die Aufgabe der Notenbanken würde dann noch schwieriger werden.“

Außer Acht gelassen werden darf nach Einschätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria auch nicht, dass die höheren Zinsen und die verschärften finanziellen Bedingungen einer überschießenden Geldpolitik der Zentralbanken die Risiken für die Finanzmarktstabilität erhöht haben. „Trotz der Herausforderungen für die Finanzmarktstabilität durch die überschießende Geldpolitik ist eine Systemkrise jedoch nicht zu erwarten, denn die Bilanzen der privaten Haushalte und Unternehmen sind im Allgemeinen in guter Verfassung und der globale Bankensektor ist gut kapitalisiert“, meint Bruckbauer abschließend. 

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