27.03.2023

UniCredit Bank Austria Branchenbericht:
Kfz-Konjunktur gewinnt nur langsam an Tempo

  • Österreichs Kfz-Industrie kann 2023 mit Zuwächsen rechnen, erreicht aber das Vorkrisenniveau voraussichtlich erst 2024 wieder 
  • 2022 hat die Kfz-Industrie den Wachstumsvorsprung zur europäischen Konkurrenz verloren
  • Produktion fertiger Fahrzeuge erwies sich als Wachstumsstütze, konnte aber den Verlust von Weltmartktanteilen nicht verhindern
  • Elektroautos sorgen auch in gesättigten Automärkten für wachsende Fahrzeugbestände 
  • Österreichs Kfz-Industrie sollte auch in Zukunft vom Naheverhältnis zum deutschen Premiumsegment profitieren

Österreichs Kfz-Industrie war in den letzten Jahren zwar eine der wachstumsstärksten Branchen im europäischen Vergleich. Die Einbußen im Zulieferbereich wurden zum Teil mit den Erfolgen in der Herstellung fertiger Fahrzeuge kompensiert. 2022 konnte sich die Branche der schwachen europäischen Autokonjunktur nicht mehr entziehen. „Wir erwarten, dass die Kfz-Industrie in Österreich 2023 weiter wachsen wird, aber frühestens 2024 das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Die Branche steht vor erheblichen strukturellen Herausforderungen, sollte aber auch in Zukunft von der wirtschaftlich stabilen Position der deutschen Premiumhersteller profitieren“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Günter Wolf. 

2023 gewinnt die Kfz-Konjunktur nur langsam an Tempo
Bis 2021 hat die Kfz-Industrie in Österreich ihren Wachstumsvorsprung gegenüber den meisten EU-Herstellerländern ausgebaut. Erst 2022 blieb das Produktionswachstum in Österreich mit 0,5 Prozent hinter dem EU-Ergebnis von 4,5 Prozent zurück. Auch das Umsatzwachstum ist 2022 mit 3,9 Prozent auf 18,5 Milliarden Euro langsamer als 2021 gestiegen. 

Anfang 2023 ist die Branchenkonjunktur weiter abgekühlt, wobei das Produktionsminus zugleich mit den höheren Auftragseingängen im Jänner ein Hinweis auf noch vorhandene Materialengpässe ist. Die Lieferengpässe bei Vormaterialien, vor allem fehlten Halbleiter, waren 2022 für rund drei Viertel der Unternehmen der Kfz-Industrie in Österreich das größte Produktionshindernis, im ersten Quartal 2023 traf dies noch auf mehr als die Hälfte der Unternehmen zu. Auf EU-Ebene haben sich die Lieferengpässe Anfang 2023 sogar verschärft. In den großen Herstellerländern Deutschland, Frankreich und Tschechien berichten rund 80 Prozent der Unternehmen der Kfz-Industrie von Produktionsbehinderungen durch fehlende Vormaterialien. In weitere Folge haben sich auch die Produktionserwartungen der Kfz-Industrie eingetrübt, in Deutschland Anfang März und in Tschechien, Frankreich, der Slowakei und Spanien schon im Februar. Österreichs Kfz-Zulieferer können erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 mit einer stärkeren Nachfrage aus den europäischen Standorten ihrer wichtigsten Kunden rechnen. 

Trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds sollte sich der EU-Automarkt 2023 insgesamt positiv entwickeln. Die jüngsten Erwartungen für das Autojahr 2023 reichen von einem Anstieg der Pkw-Neuzulassungen von 5 Prozent in der EU vom europäischen Herstellerverband ACEA, bis zu einem niedrigen zweistelligen Plus in der EU und den USA laut Ernst&Young Prognose. In beiden Märkten soll der Absatz von E-Fahrzeugen um mehr als 50 Prozent zulegen. 

Produktion fertiger Fahrzeuge erwies sich als Wachstumsstütze konnte aber den Verlust von Weltmartktanteilen nicht verhindern
Mit der fortschreitenden Abwanderung nicht nur der deutschen Kfz-Industrie aus Europa verringern sich die Absatzmöglichkeiten der österreichischen Autozulieferer. In die EU werden 64 Prozent und nach Deutschland 35 Prozent der gesamten Branchenexporte geliefert. Der Prozess hat sich in den letzten, für Europas Autoindustrie besonders verlustreichen Jahren beschleunigt. Von 2008 bis 2022 ist die Pkw-Produktion in der EU um 25 Prozent gesunken, in Deutschland sogar um 37 Prozent. Weltweit wurden im selben Zeitraum um 16 Prozent mehr Pkw erzeugt. 

Dass sich die Kfz-Industrie in Österreich der Verlangsamung der Autoproduktion in Europa zum Teil entziehen konnte und bis 2021 ihren Wachstumsvorsprung im Vergleich zur europäischen Branche ausbauen konnte, war vor allem den Exporterfolgen mit fertigen Pkw und Nutzfahrzeugen zu verdanken. Von 2008 bis 2022 sind die Exporte in dem Segment um durchschnittlich 2,7 Prozent im Jahr auf 10,4 Milliarden Euro gestiegen. Im selben Zeitraum legten die Exporte von Kfz-Motoren und sonstigen Kfz-Teilen aus Österreich nur um 1,5 Prozent auf 8,7 Milliarden Euro zu. 

In Summe hat die Branche seit 2008 Weltmarktanteile verloren. Die Anteile der österreichischen Exporte von Kfz-Motoren und sonstigen Fahrzeugteilen an den globalen Importen der Warengruppe sind von 2,3 Prozent 2008 auf 1,7 Prozent 2021 gesunken. Nach 2016 haben sich die Weltmarktanteile zumindest bis 2019 wieder leicht erholt, gestützt auf die Exportzuwächse mit fertig assemblierten Kraftfahrzeugen. Die die Pkw-Produktion in Österreich ist von 75.000 Fahrzeugen 2016, dem Tiefpunkt seit Mitte der 90er Jahre, bis 2019 auf fast 160.000 Fahrzeuge gestiegen. 2022 wurden noch 108.000 Pkw fertiggestellt. 

Elektroautos sorgen auch in gesättigten Automärkten für wachsende Fahrzeugbestände
In den meisten europäischen Ländern gewinnen Elektro- und Plug-In-Hybridfahrzeuge rasch Marktanteile. Die steigende Beliebtheit der Fahrzeuge kann mit der wachsenden Zahl an neuen Modellen, der verbesserten Ladeinfrastruktur und mit den hohen Subventionen erklärt werden. 2022 wurde der Absatz von E-Autos in 21 EU-Ländern durch Kaufprämien beziehungsweise in fast allen Mitgliedsländern durch steuerliche Begünstigungen für den Betrieb der Fahrzeuge gefördert. 

Die Zuwächse bei den E-Pkw sorgen auch in gesättigten Automärkten für weiter steigende Fahrzeugbestände. 2022 ist der Pkw-Bestand in Österreich insgesamt um 17.000 Fahrzeuge gewachsen, der Bestand an E-Pkw um 34.000 Fahrzeuge. Damit haben bereits 2,2 Prozent aller registrierten Pkw in Österreich einen rein elektrischen Antrieb. 

Bisher wurden die Erwartungen für den E-Auto-Marktanteil fast sukzessive nach oben revidiert. Allerdings dürfte der Wendepunkt in Richtung Elektroauto doch noch weiter entfernt sein als geplant, wie die aktuellen Diskussionen um das „Verbrenner-Verbot“ 2035 und die 2022 erstmals seit zehn Jahren wieder teureren Batterien für E-Autos vermuten lassen. 

Änderungen im Mobilitätsverhalten und der Fahrzeugtechnik bieten neue Wachstumschancen 
Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb beziehungsweise Hersteller, die verstärkt automatisierte Fahrzeugsysteme anbieten, haben ein hohes Wachstumspotenzial. Die Kosten für die Sensoren und Chips werden mit dem zunehmenden Angebot sinken und zugleich werden die Sicherheitsstandards für die Fahrassistenztechnologien zunehmen und die Nachfrage nach den Systemen antreiben. Trotz der erfreulichen Perspektiven wird die Autoindustrie auch weltweit ihre Absatzeinbußen der letzten Jahre frühestens 2024 ausgleichen können. Gleichzeitig wächst der Konkurrenzdruck für die etablierten Hersteller vor allem durch neue Anbieter aus China im Markt für E-Autos. Der Anteil chinesischer Marken am europäischen E-Automarkt erreichte 2022 knapp 6 Prozent und soll sich bis 2030 mehr als verdoppeln. 

„Österreichs Kfz-Zulieferindustrie kann sich dem Strukturwandel natürlich nicht entziehen, sollte aber auch in Zukunft von der wirtschaftlich stabilen Position der deutschen Premiumhersteller profitieren. Die Unternehmen in dem Segment werden auf der Grundlage ihrer Innovationsstärke die Marktanteile zumindest halten beziehungsweise von den steigenden Einkommen in vielen, zunehmend gesättigten Automärkten profitieren“, sagt Wolf abschließend. 

Rückfragen:    
UniCredit Bank Austria Economics & Market Analysis Austria 
Günter Wolf, Tel.: +43 (0) 5 05 05-41954
 E-Mail: guenter.wolf@unicreditgroup.at