UniCredit Bank Austria Branchenüberblick
Branchenklima im Frühjahr 2023 lässt Wirtschaftswachstum auf niedrigem Niveau erwarten
- In der Industrie hat der Materialmangel an Brisanz verloren, die Arbeitskräfteknappheit an Gewicht gewonnen
- Im März 2023 wurden die Produktionserwartungen aller größeren Investitionsgüterbranchen optimistischer, bei Vorproduktherstellern und baunahen Bereichen vorsichtiger
- Die Bauwirtschaft arbeitet noch auf hohem Niveau, wobei die Erwartungen im Wohnungs- und Wirtschaftsneubau pessimistischer geworden sind
- 2023 bleibt für den Autohandel und einige Einzelhandelssparten ein schwieriges Geschäftsjahr
- Trübes Branchenklima bei wirtschaftsnahen Dienstleistungssparten, sonnig im Beherbergungs- und Gaststättenwesen
Österreichs Wirtschaftswachstum hat im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorquartal zwar an Schwung verloren. Der aktuelle Branchenüberblick der UniCredit Bank Austria zeigt, dass die Erwartungen der Industrie, des Handels und der Dienstleistungen im Sektordurchschnitt im März kurzfristig sogar weitere Rückgänge der Produktions- und Geschäftstätigkeit signalisieren. Allerdings ist das Branchenklima einzelner großer Industriebranchen schon aufgeklart beziehungsweise wie am Bau sonnig geblieben. „In Summe lassen die jüngsten Konjunkturbefragungsergebnisse vom März 2023 den Schluss zu, dass sich die Wirtschaftsleistung in Österreich in den nächsten Monaten auf einem niedrigen Wachstumsniveau stabilisieren wird“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Günter Wolf.
(Für die Ermittlung des Branchenklima-Indikators werden die Entwicklung der Produktion und Umsätze bis Februar 2023 den Konjunkturbefragungsergebnissen vom März 2023 gegenübergestellt.)
Industriekonjunktur leidet unter der Schwäche von Vorproduktherstellern und baunaher Bereiche
In der Industrie hat die Materialknappheit an Brisanz verloren: Im ersten Quartal 2023 berichten nur mehr 22 Prozent der Unternehmen erhebliche Produktionsbehinderungen durch Engpässe bei der Beschaffung von Vorprodukten, im zweiten Quartal 2022 waren es noch 43 Prozent. Gleichzeitig hat der Arbeitskräftemangel in allen größeren Investitionsgüterbranchen etwas an Gewicht gewonnen. Dennoch ist das Branchenklima im Frühjahr in der Kfz-Industrie, der Erzeugung von Informationstechnik, im Maschinenbau und der Lebensmittelindustrie sonnig geblieben. In diesen Branchen berichteten die Mehrzahl der Unternehmen im März Auftragsbestände, die über dem langfristigen Durchschnitt liegen, und erwarteten weitere Produktionszuwächse.
Die Kfz-Industrie und der Maschinenbau haben nach dem unterdurchschnittlichen Produktionswachstum von 0,5 Prozent beziehungsweise 5 Prozent 2022, in den ersten zwei Monaten 2023 erheblich an Schwung gewonnen. Beide Branchen werden die Zuwächse vom Februar von jeweils durchschnittlich 16 Prozent in den nächsten Monaten zwar nicht halten können, aber weiterwachsen. Während der Maschinenbau die Verlangsamung der (europäischen) Investitionskonjunktur im Lauf des Jahres 2023 zum Teil in außereuropäischen Märkten ausgleichen kann, erklärt sich der Optimismus der Unternehmen der Kfz-Industrie vor allem mit der zunehmenden Produktionsleistung und der verbesserten Versorgungslage auf den europäischen Automärkten.
Österreichs Lebensmittelindustrie kann 2023 auf Basis der zu erwartenden stärkeren Nachfrage aus dem Lebensmittelhandel und der Gastronomie, die sich im März hinsichtlich der weiteren Geschäftsentwicklung sehr zuversichtlich zeigte, ein stabiles Branchenwachstum erwarten. Zudem profitieren die Lebensmittelerzeuger von sehr hohen Preissteigerungen. Der Zuwachs der Großhandelspreise für Lebensmittel von durchschnittlich 20 Prozent im ersten Quartal 2023 zeigt, dass die Unternehmen die stark gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise zum Großteil weitergegeben haben.
Von allen größeren Industriebranchen sind im März nur die Unternehmen der Elektrotechnik und Kunststoffverarbeitung in ihren Produktionserwartungen für die nächsten Monaten pessimistischer geworden. Mit Ausnahme der Bauzulieferbereiche sollten beide Branchen noch 2023 wieder an Schwung gewinnen. Darüber hinaus sind für das trübe Branchenklima im Industriedurchschnitt im Frühjahr 2023 sonstige Vorprodukthersteller, wie die Chemie, die Metallwarenerzeugung und die Holz- und Papierindustrie verantwortlich. Zu einem Teil gleichen die Produktionsrückgänge dieser Branchen im Ausmaß von jeweils durchschnittlich 10 Prozent in den ersten zwei Monaten 2023 die hohen Zuwächse im Vorjahreszeitraum aus, zum anderen Teil sind die Einbußen auch die Folge rückläufiger Bestellungen von Seiten der Bauwirtschaft.
Bauwirtschaft arbeitet im Frühjahr 2023 noch auf hohem Niveau
Die Bauwirtschaft ist 2022 und in den ersten Monaten 2023 in Schwung geblieben. Im Vorjahr hat der Bauumsatz preisgetrieben um durchschnittlich 12 Prozent zugelegt, bis Februar 2023 noch um 11,4 Prozent. Mit der verbesserten Materialversorgung hat sich seit Mitte 2022 auch der Baukostenanstieg wieder entspannt, auf durchschnittlich 3,8 Prozent im ersten Quartal 2023. Gleichzeitig beurteilten die Unternehmen ihre Auftragslage zunehmend schlechter. Dass die Kapazitätsauslastung der Branche im 1. Quartal 2023 dennoch wieder über 7 Monate gestiegen ist, erklärt sich mit dem knappen Arbeitskräfteangebot.
Die Konjunkturbefragungsergebnisse vom März 2023 zeigen, dass die Bausparten ein unterschiedliches Tempo einschlagen: Im sonstigen Hochbau und im Tiefbau beurteilten sogar wieder mehr Unternehmen ihre Auftragslage per saldo als zufriedenstellend. In beiden Sparten ist die Baunachfrage zuletzt wieder gestiegen und hat wesentlich zum anhaltend sonnigen Bauklima beigetragen. Hingegen sinkt die Nachfrage nach neuen Wohn- und Wirtschaftsbauten und bremst die Baukonjunktur.
2023 wird die Nachfrage nach neuen Büros und Einzelhandelsbauten infolge der wirtschaftlichen Unsicherheiten voraussichtlich schwächer. Gleichzeitig muss mit einem Rückgang im Wohnungsneubau gerechnet werden (die Neubaubewilligungen sinken seit zwei Jahren, seit Mitte 2021 auch im Bereich Einfamilienhausbau). Stärkere Wachstumsimpulse kann die Branche 2023 nur im der Hochbausanierung und im Tiefbau erwarten. Beide Sparten profitieren von den Förderungen für Klimaschutzmaßnahmen. Nach zwei wachstumsstarken Jahren wird die Bauwirtschaft 2023 preisbereinigt voraussichtlich ein leichtes Umsatzminus verbuchen.
2023 bleibt für den Autohandel und einige Einzelhandelssparten ein schwieriges Geschäftsjahr
Der Umsatz im Kfz-Handel (inklusive der Werkstätten) ist 2022 um 1,4 Prozent nominell und 10,8 Prozent real gesunken, was in etwa dem Rückgang bei den Pkw-Neuzulassungen entspricht. Trotz der steigenden Verkaufszahlen bei Neuwagen im ersten Quartal 2023 waren die Geschäftserwartungen der Kfz-Händler für die nächsten Monate noch im März sehr pessimistisch, worin sich die Rückgänge bei Gebrauchtwagen, aber auch die weiterhin hohe Unsicherheit im Markt spiegeln (der Anteil der Unternehmen, die mit einem Geschäftsrückgang rechnen, liegt um 59 Prozent über dem Anteil optimistischer Unternehmen; in den zehn Jahren davor erreichte der vergleichbare Saldo im Durchschnitt -12 Prozent). 2023 sind stärkere Umsatzzuwächse im Kfz-Handel unwahrscheinlich, wie die schlechte Konsumstimmung vermuten lässt. Die Zahl der Konsumenten, die ein Auto kaufen wollen, lag im ersten Quartal noch deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt.
Im Einzelhandel war das hohe nominelle Umsatzwachstum 2022 in fast allen Sparten die Folge hoher Preissteigerungen. Preisbereinigt ist der Umsatz (ohne Tankstellen) um 0,7 Prozent gesunken, mit überdurchschnittlich starken Einbußen unter anderem im Lebensmittel-, Baubedarf- und Onlinehandel. Zum Teil erklären sich die Rückgänge auch damit, dass die boomende Nachfrage auf ein Durchschnittsniveau zurückgekehrt ist.
Die Umsatzeinbußen der Sparten und die zuletzt im März noch negativen Geschäftserwartungen sind auch wesentlich für das trübe Branchenklima im gesamten Einzelhandel verantwortlich. Seit Beginn 2023 ist der Anteil der optimistischen Einzelhändler wieder leicht gestiegen und kündigt eine langsame Erholung der Sektorkonjunktur an. „Die Kauffreudigkeit der Konsumenten sollte von der nun sinkenden Inflation und den zu erwartenden höheren Nettoreallöhnen profitieren. Und zudem sollten die 2023 vor allem in den Städten wieder steigenden Gästezahlen dem Einzelhandel zugutekommen“, sagt Wolf.
Trübes Branchenklima bei wirtschaftsnahen Dienstleistungen, sonnig im Beherbergungs- und Gaststättenwesen
2022 ist der Dienstleistungsumsatz (ohne öffentliche und soziale Dienste) um 19 Prozent nominell gestiegen, womit die krisenbedingten Einbußen mit Ausnahme der tourismusnahen Bereiche ausgeglichen werden konnten. Die Dienstleistungskonjunktur verliert aber seit Monaten an Schwung. Im Verkehrsbereich sind die unternehmerischen Erwartungen aller zentralen Sparten per Saldo ins Minus gerutscht. Die schwächere Industrie- und Exportkonjunktur, die der Rückgang der Lkw-Fahrleistung im hochrangigen Straßennetz im ersten Quartal 2023 bestätigt, bremst vor allem die Spediteure und den Gütertransport. Beide Branchen können vermutlich erst im zweiten Halbjahr wieder mit stärkeren Nachfragezuwächsen rechnen.
Die Abkühlung der Industriekonjunktur spüren auch die wirtschaftsnahen Dienste. Im März 2023 sind die Nachfrageerwartungen für die nächsten Monate in allen größeren Branchen, auch bei den freiberuflichen Dienstleistern pessimistischer geworden. Etwas zuversichtlicher hinsichtlich der Geschäftsentwicklung in den nächsten Monaten zeigten sich nur die Anbieter von IT-Dienstleistungen und die Werbung. Die Befragungsergebnisse lassen im ersten Halbjahr 2023 eine Verlangsamung des Umsatzwachstums im Bereich wirtschaftsnaher Dienste erwarten.
Hingegen signalisieren die Erwartungen der Unternehmen im Beherbergungs- und Gaststättenwesen im März 2023 leichte Umsatzzuwächse. Als das wesentliche Geschäftshindernis wurde im ersten Quartal der Mangel an Arbeitskräften genannt, nicht mehr die fehlende Nachfrage. Der Sektor wird seine hohen Umsatzausfälle der Vorjahre voraussichtlich 2023 ausgleichen können.
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