UniCredit Bank Austria Branchenbericht:
Elektroindustrie bleibt 2023 insgesamt auf Wachstumskurs
- Die Elektronik-Branche als Teil der Elektroindustrie beendete das Jahr 2022 mit einem Rekordplus beim Umsatz von 24 Prozent und erwartet 2023 wieder ein stabiles Wachstum
- Auch die Elektrotechnik-Branche als anderer Teil der Elektroindustrie wird 2023 das sehr gute Vorjahreswachstum von 14 Prozent deutlich verfehlen
- Die erfolgreiche Spezialisierung der gesamten Elektroindustrie in Investitionsgütersparten sorgt für hohe Weltmarktanteile von durchschnittlich 1 bis 2 Prozent
- Hohe Forschungsausgaben und viele innovative Unternehmen stützen die Konkurrenzfähigkeit der gesamten Elektroindustrie
Beide Branchen der österreichischen Elektroindustrie, die Elektronik und die Elektrotechnik, wachsen langfristig rascher als die Industrie insgesamt und rascher als die Branchen im europäischen Vergleich. Noch 2022 konnte die Elektronik ihren Wachstumsvorsprung deutlich ausbauen, mit einem Umsatzplus von 24 Prozent im Vergleich zu 14 Prozent im EU-Schnitt, während der Umsatz der heimischen Elektrotechnik mit rund 14 Prozent in etwa demselben Tempo wie im EU-Schnitt zugelegt hat.
„Beide Branchen der Elektroindustrie in Österreich werden 2023 die sehr guten Vorjahresergebnisse zwar deutlich verfehlen, allerdings können sowohl die Elektronik, gestützt auf das lebhafte Automobilgeschäft, als auch die Elektrotechnik, die von Investitionsprogrammen in neue Energietechniken profitiert, weitere Zuwächse erwarten. Langfristig ist die Elektroindustrie aufgrund ihrer Wettbewerbsstärke gut gerüstet“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Günter Wolf.
Elektronik beendete 2022 mit einem Rekordergebnis und erwartet auch 2023 ein stabiles Wachstum
Der Umsatz der Elektronik-Branche ist 2022 um 24 Prozent auf 12,2 Milliarden Euro gestiegen. Davon entfallen 3,7 Milliarden Euro auf optische Geräte und Medizin- und Messtechnik und rund 750 Millionen Euro auf Telekommunikations- und IT-Geräte und Unterhaltungselektronik. Der wirtschaftliche Schwerpunkt der Branche in Österreich liegt in der Erzeugung elektronischer Bauelemente und bestückter Leiterplatten im Wert von 7,8 Milliarden Euro.
Im ersten Quartal 2023 haben sich die Wachstumsraten der Produktion und der Auftragseingänge der Elektronik-Branche zwar etwas verlangsamt, sind aber im zweistelligen Bereich geblieben. Weitere stabile Zuwächse kündigten die optimistischen Produktions- und Exporterwartungen der Unternehmen zuletzt noch im April an. Wie zuversichtlich die Unternehmen in die nahe Zukunft blicken, lässt auch das hohe Beschäftigungswachstum von 8 Prozent in den ersten vier Monaten 2023 erkennen, das vermutlich noch höher ausfallen würde, wenn genügend Arbeitskräfte vorhanden wären. Im zweiten Quartal nannten 28 Prozent der Unternehmen den Mangel an qualifizierten Beschäftigten als wesentliches Produktionshindernis – ein ähnlich hoher Anteil wurde zuletzt 2008 berichtet.
Die Konjunkturaussichten für 2023 haben sich infolge der schwachen Wirtschaftsentwicklung in Europa und großen außereuropäischen Märkten für die Elektronikbranche zwar verschlechtert. Auch den Halbleiterherstellern fehlt die Nachfrage, weltweit vor allem aus dem Konsumgüterbereich. Zugleich wird aber das dynamische Automobilgeschäft der heimischen Elektronikzulieferer wenig Schwung verlieren. In Summe sollte der Bereich Elektronik in Österreich 2023 sein Umsatzwachstum der letzten zwanzig Jahre von durchschnittlich 5 Prozent auf jeden Fall erreichen.
Die Elektrotechnik-Branche wird 2023 das sehr gute Vorjahresergebnis deutlich verfehlen
Die Hersteller elektrischer Ausrüstungsgüter erzeugen wie die Elektronik-Branche essenzielle Produkte für technologische Megatrends, wie die Erzeugung und Lagerung erneuerbarer Energie, die Erhöhung der Energieeffizienz verschiedener Wirtschaftsbereiche, die Elektromobilität und den Ausbau digitaler Netze. Entsprechend rasch ist die Branche in den letzten Jahren gewachsen, der Umsatz 2022 sogar um rund 14 Prozent auf 15,2 Milliarden Euro, wobei alle größeren Sparten kräftige Zuwächse verbuchten. Die Hersteller von E-Motoren, Generatoren und sonstigen elektrischen Ausrüstungsgütern profitierten vor allem von den stark gestiegenen Investitionsausgaben der E-Wirtschaft und die Hersteller von Haushaltsgeräten und Elektroinstallationsmaterial von der noch lebhaften Baukonjunktur 2022.
In den ersten Monaten 2023 haben sich die Aussichten der Elektrotechnik verdüstert. Zuletzt sind die Produktionserwartungen der Unternehmen im April aufgrund der schwachen Auftragsentwicklung erheblich pessimistischer geworden. Den verfügbaren Konjunkturindikatoren zufolge verfehlt die Branche 2023 sogar das langfristige Umsatzplus von 4 Prozent. Im weiteren Jahresverlauf können zumindest die investitionsnahen Sparten der Elektrotechnik mit einer Konjunkturbelebung rechnen, unter der Voraussetzung, dass die wirtschaftlichen Unsicherheiten abklingen und Energie billiger wird. Nachfrageimpulse sollten von den angekündigten öffentlichen Investitionsprogrammen kommen, die vielfach auf die Förderung von neuen Energietechniken und Energieeffizienzmaßnahmen abzielen (beispielsweise vom kommunalen Investitionsprogramm in Österreich, KIP 2023, oder dem im Februar präsentierten Net Zero Plan der EU).
Erfolgreiche Spezialisierung in Investitionsgütersparten der Elektroindustrie sorgt für hohe Weltmarktanteile
Die Außenhandelserfolge der Elektroindustrie demonstrieren die Wettbewerbsstärke, vor allem von elektrotechnischen Investitionsgütern aus Österreich. Erst 2021 und 2022 hat sich die Außenhandelsbilanz aufgrund der starken Importzuwächse in dem Bereich verschlechtert. Zum Teil konnten die heimischen Unternehmen die zusätzliche Inlandsnachfrage vor allem nach Elektromotoren und Stromaggregaten, unter anderem für Windkraftanlagen, und nach elektrischen Fahrzeugausrüstungen nicht mehr bedienen. Trotz höherer Exporte hat sich der Außenhandelsüberschuss in dem Bereich von knapp 500 Millionen Euro 2020 in ein Defizit von 360 Millionen Euro 2022 gedreht. Zudem unterstreichen die hohen Weltmarktanteile von durchschnittlich 2 Prozent die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Hersteller in dem Bereich. Insgesamt erreicht Österreichs Elektroindustrie einen Anteil am Weltexport von 0,6 Prozent.
Laufende Exportüberschüsse und überdurchschnittlich hohe Weltmarktanteile im Bereich von 1 bis 2 Prozent erzielt Österreichs Elektroindustrie auch mit Medizin- und Messtechnik und mit den Produktgruppen Transformatoren, beispielsweise Wechselrichter für Photovoltaikanlagen, und sonstigen Stromverteilungsgeräten. 2022 erreichte der Exportüberschuss mit den Produkten dieser Sparten 940 Millionen Euro.
Dem Außenhandelsüberschuss mit elektrischen Investitionsgütern steht ein Defizit mit Computern, Telefonen und Produkten der Unterhaltungselektronik von 3,9 Milliarden Euro gegenüber. Hintergrund davon ist die Tatsache, dass die Produkte trotz ihrer zum Teil hohen Technologieintensität vielfach über den Preis verkauft werden und die kostengünstige Produktion in großen Stückzahlen zum essenziellen Wettbewerbsfaktor wurde.
Hohe Forschungsausgaben und viele innovative Unternehmen stützen die Konkurrenzfähigkeit
Dass die Erzeugerpreise der Elektronikhersteller seit 2008 in Österreich um 7 Prozent zugelegt haben, während sie im EU-Schnitt um 6 Prozent gesunken sind, unterstreicht die erfolgreiche Spezialisierung der Branche auf qualitativ hochwertige und damit weniger preissensible Produkte. Damit konnten nicht nur die positive Außenhandelsbilanz beispielsweise mit Messinstrumenten und Medizintechnik gestärkt werden, sondern auch höhere Defizite in anderen Segmenten wie im Halbleiterbereich vermieden werden.
Im Bereich der Elektrotechnik sind die Erzeugerpreise in Österreich mit 10 Prozent seit 2008 zwar etwas langsamer als im EU-Schnitt mit 23 Prozent gestiegen. Allerdings unterstreichen das höhere Produktionswachstum im selben Zeitraum und die zum Teil hohen Weltmarktanteile die Konkurrenzfähigkeit der Branche.
Die Grundlage der wirtschaftlichen Erfolge beider Branchen sind zahlreiche forschungsfreudige und innovationsstarke Unternehmen. Die F&E-Quoten der österreichischen Elektronikbranche und der Elektrotechnik liegen mit 12 Prozent respektive 6 Prozent im europäischen Spitzenfeld. Zudem sind 83 Prozent der Unternehmen der gesamten Elektroindustrie innovationsaktiv im Sinn der europäischen Innovationserhebung. Der Anteil ist seit Jahren einer der höchsten in Europa und lag zuletzt nur etwas hinter den Ergebnissen der Elektrotechnik- und Elektronikunternehmen in den skandinavischen Ländern und Deutschland.
„In Summe erfüllt Österreichs Elektroindustrie nicht nur die strukturellen Anforderungen, um dem hohen Importdruck und der stagnierenden Nachfrage in einigen Segmenten erfolgreich zu begegnen, sondern kann auch seine Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig absichern. Die Elektroindustrie ist als eine der forschungsfreudigsten und innovativsten Branchen Europas auf jeden Fall gut gerüstet, um im globalisierten Markt Produktinnovationen zu generieren und sich damit neue Wachstumsmöglichkeiten zu schaffen“, sagt Wolf abschließend.
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