27.07.2023

UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex im Juli:
Österreichs Industrie verringert Produktion und Beschäftigung

  • Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex sank im Juli auf 38,8 Punkte und unterschritt damit den zwölften Monat in Folge die Wachstumsgrenze von 50 Punkten 
  • Stärkster Rückgang der Produktion seit über drei Jahren aufgrund des Mangels an Neuaufträgen 
  • Die heimischen Betriebe erhöhten im Juli das Tempo des Personalabbaus 
  • Der Rückgang der Einkaufs- und Verkaufspreise beschleunigte sich
  • Deutlicher Rückgang der Einkaufsmenge und der Bestände in den Vormateriallagern, doch Absatzprobleme führen dennoch zu volleren Fertigwarenlagern 
  • Nachfrageschwäche, hohe Kosten und die geänderten Finanzierungsbedingungen erhöhen den Pessimismus und senken die Produktionserwartungen für die kommenden zwölf Monate auf den niedrigsten Wert des Jahres 

Die österreichische Industrie startete schwach ins dritte Quartal. „Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex sank im Juli auf 38,8 Punkte. Der Indikator rutschte damit noch tiefer unter die Schwelle von 50 Punkten, ab der Wachstum signalisiert wird. Dies war der niedrigste Wert seit April 2020“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. 

„Aufgrund des deutlich sinkenden Neugeschäfts wurden in Österreich im Juli die Produktion stark zurückgefahren und der Personalabbau beschleunigt. Der geringere Materialeinkauf unterstützte die Entspannung der Lieferkettenprobleme und verstärkte den Rückgang der Bestände in den Vormateriallagern. Dem standen steigende Bestände in den Fertigwarenlagern aufgrund der schwachen Nachfrage gegenüber, was einer rascheren Weitergabe der sinkenden Kosten auf die Abgabepreise diente“, sagt Bruckbauer.

Industrie verharrt in der Rezession
Ein anhaltend starker Einbruch der Nachfrage dominiert die aktuelle Entwicklung nicht nur in der heimischen Industrie. Auch im Euroraum ging der vorläufige Einkaufsmanagerindex für die verarbeitende Industrie im Juli mit 42,7 Punkten auf den tiefsten Wert seit dem Beginn der Corona-Pandemie zurück. Insbesondere die Industrie in den großen Ländern Deutschland und Frankreich drückte das europäische Ergebnis weiter in den negativen Bereich. 

Nach der durchwachsenen Industriekonjunktur seit Jahresbeginn und der anhaltenden Verschlechterung der Lage zu Beginn des zweiten Halbjahres – auch in den wichtigsten Exportmärkten – hat der Pessimismus in den heimischen Betrieben zugenommen. „Der Index für die Produktionserwartungen in den kommenden zwölf Monaten sank im Juli auf 43,5 Punkte, den niedrigsten Wert des laufenden Jahres. Etwa ein Drittel der befragten Unternehmen erwarteten einen Rückgang der Produktion und nur noch ein Fünftel rechnete noch mit einer Ausweitung. Die schwache Nachfrage, hohe Kosten, veränderte Finanzierungsbedingungen und die stark negativen Signale aus der Bauwirtschaft schürten zu Beginn des zweiten Halbjahres den Pessimismus unter den österreichischen Betrieben“, meint Bruckbauer und ergänzt: „Alles spricht derzeit für eine Verlängerung der Rezession bis weit in die zweite Jahreshälfte hinein. Leider sind derzeit noch keine Signale für eine Besserung der Industriekonjunktur auszumachen, bestenfalls für eine Verlangsamung des Abwärtstrends. So bleibt die Hoffnung, dass eine Beruhigung der geopolitischen Lage, der Kostensituation und der Geldpolitik im kommenden Jahr der heimischen Industrie frische Impulse verschafft.“ 

Starker Nachfrageeinbruch, im Inland etwas mehr als im Exportgeschäft 
Die heimischen Betriebe haben im Juli ihre Produktionskapazitäten spürbar zurückgefahren. Der Produktionsindex sank auf 39,3 Punkte, den niedrigsten Wert seit April 2020, als es infolge der Ausbreitung der Corona-Pandemie zu einem ersten Lockdown gekommen war. „Fehlende Neuaufträge sowie die stark gesunkenen Auftragsrückstände und Auftragsstornos hatten im Juli eine deutliche Verringerung der Produktion in Österreichs Industrie zur Folge. Das Neugeschäft ließ aus dem In- und Ausland deutlich nach, da viele Kunden unter den angespannten Rahmenbedingungen ihre Lagerbestände abbauten“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. Trotz einer erneuten leichten Beschleunigung des Nachfragerückgangs im Exportgeschäft übertrifft der Index für die Exportaufträge mit 36,0 Punkten den Index für die gesamten Auftragseingänge von 33,4 Punkten, der durch den Auftragseinbruch in der heimischen Bauwirtschaft besonders stark gedämpft wird. 

Personalabbau nimmt Fahrt auf
Im Zuge der Anpassung der Kapazitäten an die geringere Auslastung haben die heimischen Betriebe des verarbeitenden Gewerbes den Personalabbau im Juli erneut beschleunigt. Der Beschäftigtenindex sank den dritten Monat in Folge auf nunmehr 46,0 Punkte, den niedrigsten Wert seit drei Jahren. Der Personalabbau konzentrierte sich auf die Konsumgüter- sowie Vorleistungsgüterbereiche, wo weniger Zeitarbeitskräfte eingestellt und frei werdende Stellen nicht mehr nachbesetzt wurden.

Trotz der schwächelnden Nachfrage war die Beschäftigung von Jänner bis Juli 2023 im Jahresabstand noch um fast 12.000 Personen bzw. 1,9 Prozent auf durchschnittlich fast 645.000 Mitarbeiter:innen im Sektor gestiegen. „Durch die ausgezeichnete Industriekonjunktur im vergangenen Jahr war trotz zunehmender wirtschaftlicher Probleme auch in den ersten Monaten dieses Jahres die Nachfrage am Arbeitsmarkt sehr stark und führte sogar zu einem Rückgang der Arbeitslosenquote auf zwischenzeitlich 3,0 Prozent in der Sachgütererzeugung. Vor rund drei Monaten hat sich das Blatt gewendet und die Arbeitslosenquote im Sektor hat leicht zu steigen begonnen, angeführt von den stark industrieorientierten Bundesländern Vorarlberg und Steiermark“, meint Pudschedl und ergänzt: „Im Gesamtjahr 2023 erwarten wir einen Anstieg der Arbeitslosenquote im verarbeitenden Gewerbe auf durchschnittlich 3,3 Prozent, nach 3,1 Prozent im Vorjahr. Wenn damit auch der Abstand geringer wird, die Arbeitsmarktlage im Sektor wird weiterhin deutlich günstiger sein als in der Gesamtwirtschaft mit einer Arbeitslosenquote von voraussichtlich 6,4 Prozent.“

Weniger Nachfrage senkt die Preise
Der ausgeprägte Nachfragerückgang schlägt sich auch in den aktuellen Preistrends nieder. Die Kosten für Vormaterialien sanken im Juli den fünften Monat in Folge. Sinkende Energiepreise und eine Reihe billigerer Rohstoffe, wie z.B. Stahl, sorgten für den stärksten Kostenrückgang seit 14 Jahren. Gestützt auf niedrigere Kosten in einem schwachen Nachfrageumfeld und unter Druck eines verschärften Wettbewerbs haben die heimischen Industriebetriebe auch die Erzeugerpreise reduziert. Eine stärkere Herabsetzung der Abgabepreise als diesen Juli war in der bisherigen Umfragegeschichte bisher nur einmal – im März 2009 - erfolgt, um Umsatzeinbußen entgegenzuwirken. „Unterstützt durch die stark sinkenden Einkaufspreise gelang es den heimischen Industriebetrieben, trotz der geringeren Preissetzungsmacht im Verkauf, in einem schwachen Nachfrageumfeld die Gewinnmargen zu sichern. Da der Kostenrückgang erneut stärker als die Reduktion der Erzeugerpreise ausfiel, hat sich im Durchschnitt die Ertragssituation der heimischen Betriebe im Juli gegenüber dem Vormonat sogar tendenziell etwas verbessert“, meint Pudschedl. 

Verkaufslager füllen sich
Infolge der anhaltend schwachen Nachfrage wird in den heimischen Betrieben wieder verstärkt Wert auf ein vorsichtiges und kostenbewusstes Lagermanagement gelegt. Eine deutliche Reduktion der Einkaufsmenge führte den fünften Monat in Folge zum Abbau der Bestände an Vormaterialien und Rohstoffen. Allerdings erfolgte der Lagerabbau aufgrund der sinkenden Produktionserfordernisse langsamer als die Reduktion der Einkaufsmenge, was auf eine Unterschätzung der aktuellen Konjunkturschwäche durch die Einkäufer:innen der heimischen Betriebe hindeutet. Eine nicht ganz angemessene Anpassung in den Betrieben an die geringeren Produktionserfordernisse wurde auch dadurch unterstrichen, dass die Bestände in den Verkaufslagern zugenommen haben. Zusätzlich zur Abschwächung des Neugeschäfts haben einige Kunden Aufträge storniert bzw. die bestellte Ware nicht abgerufen und so den bereits dritten Monat in Folge zu einem überdurchschnittlich starken Anstieg der Fertigwarenlager beigetragen. 

Rückfragen:
UniCredit Bank Austria Economics & Market Analysis Austria 
Walter Pudschedl, Tel.: +43 (0)5 05 05-41957;
E-Mail: walter.pudschedl@unicreditgroup.at