03.10.2023

UniCredit Bank Austria Analyse:
Tourismus verliert 2023 an Wachstumstempo

  • 2023 werden die Einnahmen aufgrund hoher Preissteigerungen das Vorkrisenniveau von 30 Milliarden Euro nominell übertreffen
  • Die Tourismuseinnahmen können allerdings preisbereinigt den Nachfragerekorden nicht mehr folgen
  • Die Tourismusnachfrage hat sich zu einnahmenschwächeren Segmenten verschoben, vor allem zu Ferienwohnungen; auf das Segment entfallen bereits 25 Prozent der Übernachtungen
  • Das Preisniveau des heimischen Tourismusangebots lag 2022 nur um 6 Prozent über dem EU-Durchschnitt, die Branche verliert dennoch Marktanteile 

Die Zahl der Übernachtungen in- und ausländischer Gäste in Österreich lag in den ersten acht Monaten 2023 noch um 1,5 Prozent unter dem Ergebnis 2019. Die Tourismusumsätze haben hingegen schon im ersten Halbjahr mit 16,2 Milliarden Euro nominell das Vorkrisenniveau wieder erreicht, vor allem angetrieben von hohen Preissteigerungen. Die Leistungen der Gaststätten und Beherbergungsbetriebe in Österreich verteuerten sich bis August 2023 gegenüber dem Vorjahr um 12,6 Prozent. 

„Bis Jahresende werden die hohen Lebenshaltungskosten und die weitere Konjunkturabkühlung in zentralen Zielmärkten die Reisebereitschaft und die Reiseausgaben der Konsumenten bremsen. Voraussichtlich wird die Branche ihren Rekord von 153 Millionen Nächtigungen aus 2019 erreichen und die Einnahmen von rund 30 Milliarden Euro sogar übertreffen. Preisbereinigt werden die Tourismusumsätze das Vorkrisenniveau aber deutlich verfehlen“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Günter Wolf.

Tourismuseinnahmen verfehlen Nachfragerekorde, wenn man Preissteigerungen herausrechnet 
Die Ergebnisse aus 2023 sind eine Fortsetzung der Entwicklung der vergangenen fünfzehn Jahre als Österreichs Tourismus, unterbrochen von den Pandemiejahren, fast kontinuierlich Nachfragerekorde verbuchte. Damit konnten die preisbereinigten Einnahmenzuwächse nicht Schritt halten, die pro Übernachtung seit 2008 sogar gesunken sind. Auch nominell sind die Tourismuseinnahmen pro Übernachtung von 2008 bis 2022 nur um durchschnittlich 1,1 Prozent im Jahr gestiegen, deutlich langsamer als in den zehn Jahren davor mit 2,9 Prozent im Jahr. 

Die Entwicklung zeigt, dass es in der Branche in den vergangenen Jahren nur kurzfristig gelungen ist, die schwächeren Einnahmenzuwächse – vor allem infolge kürzerer Aufenthalte und der stärkeren Nachfrage nach Ferienwohnungen – mit der Ansprache neuer, weniger preissensibler Gästesegmente und mit höheren Preisen zu kompensieren. Bis 2008 sind die Einnahmen pro Übernachtung auch preisbereinigt in etwa stabil geblieben, also ein Hinweis darauf, dass damals die Nachfrage erfolgreich in teurere Angebotssegmente umgelenkt werden konnte.

Tourismusnachfrage hat sich  zu Ferienwohnungen verschoben
Die starke Nachfrage nach günstigeren Tourismusangeboten ist unter anderem die Folge zunehmend preissensibler Gäste, die online unter einem transparenten und globalen Angebot wählen können. In Summe ist der Preisdruck in der Branche gestiegen und hat den Umbau vieler privater und gewerblicher Unterkünfte niedriger Kategorien in Ferienwohnungen angetrieben. Von 2008 bis 2022 wurden die Kapazitäten in den Sommersaisonen insgesamt um 5 Prozent auf 1,1 Millionen Betten ausgebaut, davon im 4/5*-Segment um 28 Prozent auf 282.000 Betten und in Ferienwohnungen-Segment um 35 Prozent auf 352.000 Betten. Zugleich ist die Zahl der Betten in Privatquartieren und 1/3*-Unterkünften um 21 Prozent auf 365.000 Betten gesunken. 

Die überdurchschnittlich hohen Übernachtungszuwächse im Ferienwohnungssegment belegen, dass das Angebot erfolgreich an die veränderte Nachfrage angepasst werden konnte. Insgesamt sind die Gästenächtigungen in Österreich von 2008 bis 2022 um 0,6 Prozent im Jahr gestiegen, bei 4/5*-Betrieben um 0,9 Prozent und bei Ferienwohnungen um 3 Prozent. Hochgerechnet mit dem Plus von 15,2 Prozent bis August entfallen im Gesamtjahr 2023 auf das Segment schon rund 39 Millionen beziehungsweise 25 Prozent aller Übernachtungen. 

Der Trend zu Ferienwohnungen zeigt sich zwar in allen Bundesländern. Einen wahren Nachfrageboom löste aber die Vermietung von Wohnungen an Touristen über Vermittlungsplattformen wie Airbnb in Ballungszentren aus. In Wien, wo es 2008 noch keine nennenswerten Ferienwohnungskapazitäten gab, wurden 2022 in dem Segment bereits 13 Prozent der Betten und 11 Prozent der Nächtigungen registriert. Die Ergebnisse bis Juli 2023 zeigen, dass sich der Trend fortsetzt und der Nächtigungsanteil in dem Segment in Wien auf 13 Prozent gestiegen ist.

Österreichs Tourismus verliert in Europa Marktanteile
Der Tourismusstandort Österreich hat weltweit wie in Europa Marktanteile verloren. Die Anteile an den internationalen Gästeankünften im Euroraum sind von 8,7 Prozent 2008 auf 7,7 Prozent 2022 und die Anteile an den nominellen Einnahmen von 6,5 Prozent auf 5,9 Prozent gesunken. Zum Teil sind die Anteilsverluste sicher auch die Folge der Verteuerung des touristischen Angebots in Österreich, das heißt dem Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit, der nicht mit Qualitätssteigerungen ausgeglichen werden konnte. Letztendlich wird die Entscheidung, wohin und mit welchem Verkehrsmittel Reisen unternommen werden, noch immer wesentlich von den Preisrelationen der Angebote beeinflusst. 

Von 2008 bis 2022 sind die Leistungen der Gaststätten und Beherbergungsbetriebe in Österreich um durchschnittlich 3,2 Prozent und im Euroraum um 2,1 Prozent im Jahr teurer geworden. Trotz der starken Verteuerung des Angebots lag das Preisniveau des heimischen Tourismus 2022 noch im europäischen Mittelfeld beziehungsweise nur um 6 Prozent über dem EU-Durchschnitt. In allen größeren Destinationen mit mehr Nächtigungen als in Österreich wurden die Tourismusdienstleistungen im Vorjahr nur in Spanien und Griechenland, jeweils um rund 20 Prozent, und in der Türkei um fast 60 Prozent billiger als hierzulande angeboten.

Die Analyse der Preisentwicklung zeigt, dass der wesentliche Teil des Preisanstiegs im Tourismussektor vom Gastgewerbe stammt. Die Branche trägt 75 Prozent zum gesamten Sektorpreisniveau bei und die Preise im Gastgewerbe sind von 2008 bis 2022 mit durchschnittlich 3,4 Prozent im Jahr auch rascher als im Beherbergungsgewerbe gestiegen. Insofern haben die Beherbergungsbetriebe im Branchendurchschnitt vermutlich noch Spielraum für Preiserhöhungen, ohne ihre Konkurrenzfähigkeit längerfristig zu schädigen. 


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UniCredit Bank Austria Economics & Market Analysis Austria
Günter Wolf, Tel.: +43 (0) 5 05 05-41954
E-Mail: guenter.wolf@unicreditgroup.at