28.11.2023

UniCredit Bank Austria Konjunktureinschätzung 2024/25:
Nach der Rezession Aussicht auf moderate Erholung

  • Weltwirtschaft verliert 2024 durch Folgen der geldpolitischen Straffung und anhaltender geopolitischer Spannungen an Schwung, doch Inflationsrückgang und Zinswende unterstützen Trendumkehr gegen Ende 2024 und 2025 
  • Stagnation in den USA im Jahresverlauf 2024 und nur bescheidenes Wachstum im Euroraum, Erholung mit unterdurchschnittlichem Tempo 2025 
  • Europa und auch Österreich fielen wegen schwächerer Einkommensentwicklung bisher beim Wirtschaftswachstum hinter die USA zurück
  • Leitzinsen haben Höhepunkt erreicht: Geldpolitische Wende mit Zinsreduktion um insgesamt 225 Basispunkte in den USA und 175 Basispunkte im Euroraum von Mitte 2024 bis Ende 2025 erwartet
  • Sinkende Inflation und steigende Kaufkraft führen österreichische Wirtschaft aus der Rezession
  • Konsumbelebung und Wende im Lagerzyklus lassen BIP-Anstieg um 0,3 Prozent 2024 und, unterstützt durch Zinswende, ein moderates Wachstum von 1,5 Prozent 2025 in Österreich erwarten 
  • Langsame Bodenbildung in der Industrie: UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex steigt im November den zweiten Monat in Folge auf 42,2 Punkte 
  • Inflation weiter auf Rückzug, aber langsamer als im Euroraum: Durchschnittliche Teuerung von 3,6 Prozent 2024 und 2,3 Prozent 2025 erwartet 
  • Konjunkturschwäche zeigt Wirkung am Arbeitsmarkt mit Anstieg der Arbeitslosenquote auf 6,7 Prozent 2024, doch Entspannung auf 6,5 Prozent 2025 in Sicht  
  • Risiken für 2024 hoch: Geopolitik, Wahlen und zu restriktive Wirtschaftspolitik

„Die Weltwirtschaft wird Anfang 2024 voraussichtlich weiter an Schwung verlieren. Die synchrone Straffung der Geldpolitik, gesunkene Ersparnispuffer der Haushalte, der auslaufende Nachholbedarf von z.B. touristischen Dienstleistungen und eine wenig unterstützende Fiskalpolitik werden ihre Wirkung zeigen. Zudem werden die anhaltenden geopolitische Spannungen weiter für Verunsicherung sorgen“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer zum aktuellen Konjunkturüberblick der UniCredit Bank Austria und ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass sich das globale BIP-Wachstum nach 3,0 Prozent heuer im Jahr 2024 weiter auf 2,7 Prozent abschwächt, bevor es 2025 wieder leicht auf 3,0 Prozent anziehen dürfte.“ 

Die globale Wachstumsverlangsamung spiegelt sich in einem Rückgang des BIP-Anstiegs der US-Wirtschaft von 2,4 Prozent im Jahr 2023 auf voraussichtlich nur noch rund 1 Prozent im Jahr 2024 wider. Zudem werden die sich verschlechternde demografische Lage und die Schwierigkeiten im aufgeblähten Immobiliensektor in China die globale Dynamik belasten, während andere Schwellenländer unterstützt durch die sinkenden Zinsen jedoch widerstandsfähiger sein werden. Für den Euroraum ist in diesem Umfeld von einem bescheidenen Wachstum auszugehen, das vom Anstieg der Realeinkommen unterstützt wird.

„Wir gehen davon aus, dass die Wirtschaft im Euroraum ihr Wachstumstempo von 0,5 Prozent im Jahr 2023 auch im kommenden Jahr wird halten können, gestützt auf die sinkende Inflation und eine zaghafte Erholung des Welthandels im späteren Jahresverlauf. Aber auch 2024 ist mit starkem Gegenwind zu rechnen, denn die Folgen der Zinserhöhungen der EZB werden genau dann immer stärker spürbar werden, wenn die Sparpolster der Haushalte weitgehend aufgebraucht sind, die Fiskalpolitik straffer wird und die Widerstandsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu schwinden beginnt“, so Bruckbauer und ergänzt: „Dennoch sollte die europäische Wirtschaft im Laufe des kommenden Jahres stärker in Schwung kommen und 2025 ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 1,2 Prozent erreichen können.“ 

Anders als die USA blieb im Euroraum und auch in Österreich die Einkommensentwicklung bisher deutlich hinter der Inflation zurück und dementsprechend stagnierte der Konsum bisher auf dem Niveau von 2019, während das Konsumniveau in den USA deutlich über 2019 liegt. „In Österreich belastete nicht nur die Realeinkommensentwicklung, auch die zusätzlichen Ersparnisse aus der Pandemie wurden bisher nicht abgebaut. Im Gegenteil, die Sparquote liegt noch immer höher als vor der Pandemie“ meint Bruckbauer. Zum Teil könnten die Haushalte die erhöhte Ersparnis als teilweise Ausgleich ihres realen Vermögensverlustes durch die hohe Inflation betrachtet haben.

Zinsen ab Mitte 2024 auf dem Weg abwärts zum neutralen Niveau 
Die Straffung der Geldpolitik hat den Höhepunkt erreicht, die geldpolitische Wende rückt näher. „Angesichts der schwachen Konjunktur und des Rückgangs der Inflation wird sowohl in den USA als auch im Euroraum der nächste Schritt der Notenbanken eine Absenkung der Leitzinsen sein. Mittlerweile erwarten wir für beide Wirtschaftsräume eine erste Lockerung der Geldpolitik im Juni 2024“, meint Bruckbauer und ergänzt: „Bei der Annäherung an das neutrale Zinsniveau werden die Notenbanken sehr vorsichtig vorgehen. Wir rechnen mit vierteljährlichen Zinssenkungen der EZB um 25 Basispunkte, wodurch der Einlagensatz bis Ende 2024 auf 3,25 Prozent und bis Ende 2025 auf 2,25 Prozent sinken würde. Die Fed dürfte den Leitzins bis Ende 2025 auf ein Zielband von 3 bis 3,25 Prozent senken.“ Während die EZB damit die Leitzinsen auf das neutrale Niveau gesenkt haben dürfte, werden die US-Zinsen nach Schätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria noch etwas über dem neutralen Niveau liegen. 

Bis Ende 2025 dürfte die US-Notenbank Fed die Leitzinsen um insgesamt 225 Basispunkte und die EZB um 175 Basispunkte senken. Mit dem Beginn des Lockerungszyklus und der Verringerung des Zinsdifferenzials wird sich die Stärke des US-Dollars gegenüber dem Euro etwas abbauen. Allerdings wird das Wachstumsgefälle zwischen den USA und dem Euroraum den Trend bremsen. Ende 2024 dürfte der Wechselkurs des US-Dollars bei 1,13 und Ende 2025 nahe dem fairen Wert bei 1,15 für einen Euro stehen. 

Inflation sollte im Euroraum bis Ende 2024 in den Zielbereich der EZB sinken
Die Inflation in der Eurozone ist innerhalb eines Jahres massiv zurückgegangen, was hauptsächlich auf die niedrigeren Energiepreise zurückzuführen ist. Die Disinflation hat sich jedoch in den letzten Monaten ausgeweitet, wobei der Preisdruck in allen Sektoren nachgelassen hat. Die Preise für Kerngüter und Nahrungsmittel geben den stärksten Impuls für die Verlangsamung der Inflation und dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Die Preise für Dienstleistungen bewegen sich ebenfalls in die richtige Richtung, auch wenn sie aufgrund der stärkeren Auswirkungen von Lohnerhöhungen auf die Kosten der Unternehmen in diesem Sektor hartnäckiger bleiben werden. 

„Wir gehen davon aus, dass sich die Gesamtinflation bis Ende 2024 dem EZB-Ziel von 2 Prozent nähern und 2025 sogar unter dieses Ziel sinken wird. Im Jahresdurchschnitt erwarten wir einen Rückgang der Teuerung im Euroraum nach 5,5 Prozent im Jahr 2023 auf 2,5 Prozent 2024 und auf 1,8 Prozent 2025“, so Bruckbauer.

Steigende Kaufkraft wird die Rezession in Österreich beenden 
„Die im Frühjahr eingesetzte Rezession der österreichischen Wirtschaft wird 2023 voraussichtlich zu einem Rückgang des BIP um 0,5 Prozent führen. Wir gehen davon aus, dass 2024 eine moderate Erholung, unterstützt durch eine weitere Verlangsamung der Inflation, mit einem leichten Anstieg des BIP um 0,3 Prozent einsetzen wird, der sich 2025 auf etwa 1,5 Prozent beschleunigen dürfte“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl.

Erste Anzeichen dafür, dass die Wirtschaft langsam die Talsohle erreicht, deuten auf ein Ende der Rezession gegen Ende des Jahres 2023 hin. Steigende Reallohnzuwächse infolge der sinkenden Inflation dürften Anfang 2024 eine moderate Erholung über den Konsum auslösen. Auch die Trendwende im Lagerzyklus wird für Wachstumsimpulse sorgen. Dagegen wird die restriktive Geldpolitik auch 2024 eine große Herausforderung für die Investitionstätigkeit darstellen. 

Während der Dienstleistungssektor, gestützt durch die steigende Kaufkraft der Haushalte, die Erholung anführen dürfte, bleibt die Lage im Bausektor, insbesondere im Hochbau, und in der Industrie angespannt. Eine allmähliche Erholung der Weltwirtschaft dürfte jedoch die exportorientierten Branchen zunehmend unterstützen. 

UniCredit Bank Austria EinkaufManagerIndex signalisiert ein Auslaufen des Industrieabschwungs
Die Industrie wird voraussichtlich zeitverzögert der vom Dienstleistungssektor getragenen Erholung der österreichischen Wirtschaft im Laufe des Jahres 2024 folgen. Die heimische Industrie befindet sich seit Mitte 2022 in einer Rezession, die jüngsten Daten weisen jedoch auf eine langsame Bodenbildung des Abschwungs hin. 

„Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex ist im November auf 42,2 Punkte gestiegen, liegt damit jedoch bereits den sechszehnten  Monat in Folge unterhalb der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Allerdings ist der aktuelle Wert immerhin der beste seit März. Auch die Produktionserwartungen der Unternehmer haben sich im November wieder etwas verbessert. Mit 44,7 Punkten signalisiert der entsprechende Index jedoch weiterhin einen Rückgang der Produktion in der österreichischen Industrie auf Jahressicht“, meint Pudschedl. Die Industriekonjunktur stabilisiert sich, ein baldiger Aufschwung ist vorerst aber nicht absehbar.

Die Auftragsentwicklung war erneut stark rückläufig, sowohl aus dem Inland als auch dem Ausland, wenn auch mit etwas reduziertem Tempo. Die Produktionsleistung wurde im November daher erneut verringert, allerdings sogar etwas stärker als im Vormonat. Die Beschäftigung wurde den niedrigeren Produktionserfordernissen angepasst. Angesichts der schwachen Nachfrage setzte sich der Lagerabbau zur Kostenminimierung mit gestiegenem Tempo fort, die Lieferzeiten verringerten sich weiter und die Einkaufspreise sanken erneut. Die gestiegene Preissetzungsmacht der Unternehmen spiegelte sich in einem verzögerten und langsameren Rückgang der Abgabepreise wider, so dass sich in diesem schwierigen Umfeld tendenziell die Ertragssituation verbesserte. 

Inflation wird in Österreich langsamer als im Euroraum sinken
Nachdem die Inflation zu Beginn des Jahres einen zweistelligen Höchststand erreicht hatte, haben vor allem niedrigere Energie- und Rohstoffpreise einen Rückgang eingeleitet, der die Teuerung bis Ende 2023 auf rund 5 Prozent im Jahresvergleich abschwächen wird. Die Inflation geht in Österreich deutlich langsamer zurück als im Durchschnitt des Euroraums. Dies ist auf stärkere Energiepreisanstiege zurückzuführen, die höhere Zweitrundeneffekte, z. B. durch die indexierten Mieten, ausgelöst haben. 

„Nachdem die Teuerung im Jahr 2023 einen Jahresdurchschnitt von 7,8 Prozent erreichen dürfte, erwarten wir –  trotz eines eher verhaltenen Abwärtstrends vieler Dienstleistungspreise durch spürbare Lohnerhöhungen – eine klare Verlangsamung der Inflation 2024 auf 3,6 Prozent und im Jahr 2025 auf 2,3 Prozent“, so Pudschedl. 

Arbeitslosenquote steigt verhalten
Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote ist in Österreich im Jahresverlauf 2023 von 6,2 Prozent zu Beginn auf mittlerweile 6,6 Prozent gestiegen. 
„Die Lage auf dem Arbeitsmarkt dürfte sich vor allem aufgrund der Schwäche in der Industrie und am Bau in den kommenden Monaten weiter verschlechtern. Nachdem die Arbeitslosenquote im Jahr 2023 auf durchschnittlich 6,4 Prozent steigen wird, erwarten wir für 2024 im Durchschnitt 6,7 Prozent. Das stärkere Wirtschaftswachstum sollte 2025 wieder einen Rückgang auf 6,5 Prozent ermöglichen“, so Pudschedl. Die hohe Widerstandsfähigkeit in einer anhaltend schwachen Konjunkturphase ist in der Enge am heimischen Arbeitsmarkt begründet. Bedingt durch demografische Effekte, wie dem Ausscheiden geburtenstarker Jahrgänge aus dem Arbeitsprozess sowie der hohen Attraktivität von Teilzeitarbeit kann die Entwicklung der Beschäftigung und des angebotenen Arbeitszeitvolumens in Österreich kaum mit dem Bedarf schritthalten. 

Hohe Risiken, aber auch Chancen abhängig von geopolitischen Entwicklungen
Der Konjunkturausblick der Ökonomen der UniCredit Bank Austria für die nächsten zwei Jahre ist durch ungewöhnlich hohe Risiken gekennzeichnet. Entscheidend sind vor allem die geopolitischen Unsicherheiten. „Die Wachstumserwartungen sind stark von den geopolitischen Entwicklungen abhängig. Auch eine Vielzahl von Wahlen, allen voran in den USA, könnten zusätzliche Unsicherheit bringen“, meint Bruckbauer. 

Außer Acht gelassen werden darf nach Einschätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria auch nicht, dass die höheren Zinsen und die verschärften finanziellen Bedingungen einer überschießenden Geldpolitik der Zentralbanken die Risiken für die Finanzmarktstabilität erhöht haben. „Trotz der Herausforderungen für die Finanzmarktstabilität durch die überschießende Geldpolitik ist eine Systemkrise jedoch nicht zu erwarten, denn die Bilanzen der privaten Haushalte und Unternehmen sind im Allgemeinen in guter Verfassung und der globale Bankensektor ist gut kapitalisiert“, meint Bruckbauer abschließend.




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UniCredit Bank Austria Economics & Market Analysis Austria 
Walter Pudschedl, Tel.: +43 (0) 5 05 05-41957;
E-Mail: walter.pudschedl@unicreditgroup.at