UniCredit Bank Austria Analyse:
Inflationsgefahr ante portas?
- Rohstoffpreise erhöhten Inflation in Österreich im März auf 2,0 Prozent
- Die expansive Fiskalpolitik ist aufgrund der großen Outputlücke und der angespannten Lage am Arbeitsmarkt keine Gefahr für die Preisstabilität: Keine Lohn-Preis-Spirale in Sicht
- Das Inflationsrisiko durch die unterstützende Geldpolitik der EZB wird überschätzt: Der starke Anstieg der Geldbasis spiegelt sich nicht in der Entwicklung der weit gefassten Geldmenge M3 wider und das Kreditwachstum ist stark von Liquiditätshortung geprägt
- Die Inflation in Österreich steigt im Jahresverlauf 2021 auf über 2,5 Prozent, doch der Anstieg durch Öl- und Nahrungsmittelpreise ist nur temporär
- Die Teuerung bleibt in Österreich mit durchschnittlich 2,2 Prozent 2021 und 2,0 Prozent 2022 überschaubar
- Die mittelfristige Inflationserwartung des Finanzmarktes erhöhte sich zuletzt in den USA aufgrund der erwarteten starken Erholung. Auch im Euroraum ist ein Anstieg zu erwarten, jedoch deutlich unter 2 Prozent
- Langfristig dürften die inflationsdämpfenden Effekte der demographischen Entwicklungen und der Globalisierung auslaufen. Das Beispiel Japan zeigt, dass dies nicht zwangsläufig zu höherer Inflation führt
„Der Anstieg der Renditen von Staatsanleihen in den vergangenen Wochen spiegelt die zunehmende Sorge der Finanzmärkte über einen starken und nachhaltigen Anstieg der Inflation wider. Diese Befürchtung wird neben der Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung auch durch die expansive Fiskalpolitik und die unterstützende Geldpolitik der Zentralbanken sowie langfristig durch demographische Veränderungen geschürt. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen ist die Angst vor dem Schreckgespenst Inflation auf absehbare Zeit jedoch unbegründet“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. In einer neuen Analyse liefern die Ökonomen der UniCredit Bank Austria einen Überblick über die kurz-, mittel- und langfristigen Inflationsaussichten mit maßgeblichen Argumenten für eine relativ entspannte Sicht trotz der jüngsten Beschleunigung.
Kurzfristig temporärer Anstieg der Inflation in Österreich durch Rohstoffpreise
Auf kurze Sicht wird der Aufschwung der Wirtschaft aus der Pandemie über höhere Rohstoffpreise die Inflation auch in Österreich spürbar anheben. Die bereits stark angezogenen Einkaufspreise der Industrie werden im Lauf der Erholung 2021 zumindest teilweise auf die Verbraucherpreise übergewälzt, allerdings aufgrund des starken Wettbewerbs voraussichtlich in überschaubarem Ausmaß. „Nach einer durchschnittlichen Inflation von 1,4 Prozent im Jahr 2020 erwarten wir für den Jahresdurchschnitt 2021 einen Anstieg auf 2,2 Prozent mit Werten von sogar über 2,5 Prozent im späteren Jahresverlauf. Für 2022 gehen wir jedoch bereits wieder von einem erneuten Rückgang der Teuerung auf 2,0 Prozent in Österreich aus“, so Bruckbauer.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Erhebungsprobleme während der Pandemie die exakte Ermittlung der Inflation 2020 und auch zu Beginn 2021 beeinträchtigten. Zum einen war es während der Lockdowns aufgrund geschlossener Geschäfte nicht möglich, für alle Waren und Dienstleistungen Preise zu erheben und somit eine Preisveränderung zum Vorjahr zu berechnen, was alternative Erfassungsmethoden, wie Fortschreibungen notwendig machte. Das betraf etwa 25 Prozent des Warenkorbs während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 und bis zu 20 Prozent während des Lockdowns ab Herbst 2020.
Zum anderen hat sich das Konsumverhalten der Österreicher aufgrund der Lockdowns und Einschränkungen der Mobilität geändert und damit die Zusammensetzung des Warenkorbs, was allerdings in der offiziellen Ermittlung der Inflation unterjährig nicht eingeht. Während unter anderem die Ausgaben für Nahrungsmittel gemäß Kreditkartenabrechnungen um über 50 Prozent zunahmen, kam es bei Restaurants und Hotels zu einem Einbruch um 90 Prozent. Bei Berücksichtigung dieses veränderten tatsächlichen Konsumverhaltens wäre die Teuerung im Jahresdurchschnitt 2020 mit 1,6 Prozent um 0,2 Prozentpunkte über der offiziellen Inflationsrate von 1,4 Prozent gelegen.
Keine Gefahr für dauerhaft ausufernde Teuerung, denn Outputlücke und Arbeitsmarkt bremsen
Das Risiko einer stark ausufernden Inflation ist nach Ansicht der Ökonomen der UniCredit Bank Austria unmittelbar aber nicht gegeben, da die österreichische Wirtschaft infolge der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie stark eingebrochen ist. In dieser Situation ist, angesichts der nicht ausgelasteten Kapazitäten und insbesondere angesichts der herausfordernden Situation am Arbeitsmarkt, über eine zu starke Nachfrage kein Preisdruck nach oben zu erwarten. Empirisch besteht zwischen dem Arbeitsmarkt und der Inflation ein negativer Zusammenhang. Ein Rückgang der Arbeitslosigkeit ist mit einem Anstieg der Inflation (und umgekehrt) verbunden, unter der Annahme, dass Unternehmer bei einem sinkenden verfügbaren Arbeitskräfteangebot mit höheren Lohnforderungen konfrontiert sind, die sie durch Preiserhöhung ihrer Produkte an die Kunden weitergeben.
„Nach dem Einbruch der Wirtschaft 2020 besteht in Österreich eine hohe Outputlücke zumindest zum Vorkrisenniveau. Die Arbeitslosigkeit liegt noch fast auf Rekordniveau, sodass in den kommenden beiden Jahren nur eine gedämpfte Lohndynamik zu erwarten ist. Unter diesen Rahmenbedingungen besteht in Österreich keine Gefahr, dass sich eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale in Gang setzt. Die Inflation hat abseits von externen Preiseinflüssen wie Rohstoffpreisen daher kaum Aufwärtspotenzial“, so Bruckbauer. Die Kerninflationsrate ohne Preise für Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel wird ausgehend von aktuell 1,3 Prozent nur sehr moderat bis zum Jahresende ansteigen.
Ausweitung von EZB-Geldbasis hat keinen direkten Einfluss auf die Inflation
Nach Einschätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria ist auch die Sorge, dass die in der Pandemie besonders stark unterstützende Geldpolitik der EZB zu einem Inflationsschub führt, überzogen. „Durch die massiven Anleihekäufe wurde die Geldbasis im Euroraum zwar deutlich erhöht, die Geldmenge jedoch bei weitem nicht im selben Ausmaß. Für eine höhere Inflation benötigt es jedoch eine stärkere Kreditnachfrage für Konsum und Investitionen, die wiederum eine stärkere Erholung der Realwirtschaft voraussetzen würde“, ist Bruckbauer überzeugt.
Erst wenn die reale Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen das Angebot nachhaltig übersteigt, wenn also eine zu stark gestiegene Geldmenge auf zu wenige Güter und Dienstleistungen trifft, kann Inflation entstehen. Die quantitative Lockerung der EZB kann somit nur über eine Ankurbelung der Nachfrage zu Inflation führen. Solange nachfragebedingt die Faktorauslastung jedoch gering ist, ist kein nachhaltiger Anstieg der Inflation durch die Geldpolitik der EZB zu erwarten.
Mittelfristige Inflationserwartung weiter unter 2 Prozent im Euroraum
Die Inflationserwartung der Anleger für die nächsten zehn Jahre lässt sich sehr simpel aus der Differenz der Anleihezinsen für sichere Staatsanleihen und dem Zinssatz von inflationsgesicherten Anleihen desselben Schuldners mit derselben Laufzeit errechnen. Diese mittelfristige Inflationserwartung des Finanzmarktes hat sich nach der Verringerung im Verlauf der Coronakrise zuletzt insbesondere in den USA erhöht. Für den Euroraum geht der Finanzmarkt dennoch nur von einer Inflation im Durchschnitt der nächsten zehn Jahre von rund 1 Prozent aus, die EZB für 2023 von 1,4 Prozent und die von der EZB befragten Experten mittelfristig von 1,7 Prozent. Ein Inflationsdruck deutlich über 2 Prozent wird mittelfristig somit nicht erwartet.
Verlangsamung der Globalisierung und Bevölkerungsentwicklung als langfristiges Inflationsrisiko?
Trotz starkem Wirtschaftswachstum und geringerer Arbeitslosigkeit sorgten die Globalisierung und der Anstieg des Arbeitskräfteangebots in den vergangenen Jahrzehnten für eine niedrige Inflation. Die günstigen demographischen Voraussetzungen scheinen sich zu ändern. Die Integration neuer Märkte in die globalen Wertschöpfungsketten könnte sich zumindest verlangsamen und die Zahl der arbeitsfähigen Bevölkerung dürfte absolut und andererseits gleichzeitig auch relativ zur Gesamtbevölkerung abnehmen, was zu stärkeren inflationären Tendenzen führen könnte. In Japan, wo diese demographischen Veränderungen bereits vor vielen Jahren eingetreten sind, kam es dagegen aufgrund der schwächelnden Nachfrage zu deflationären Entwicklungen. Im Wesentlichen trug dazu die gesteigerte Produktivität pro Erwerbstätigen und zuletzt auch der Anstieg der Erwerbsquote bei.
„Die bevorstehenden demographischen Veränderungen dürften durch eine steigende „Marktmacht“ der (Arbeits-)Anbieter langfristig zu stärkeren inflationären Tendenzen führen. Am Beispiel Japans, das seit Jahren mit solchen Problemen konfrontiert ist, zeigt sich, dass die Entwicklung aber nicht zwangsläufig so verlaufen muss“, meint Bruckbauer abschließend.
Weitere Informationen zu der Publikation unter
https://www.bankaustria.at/wirtschaft-online-wirtschaftsanalyse-oesterreich.jsp
Rückfragen:
UniCredit Bank Austria Economics & Market Analysis Austria
Stefan Bruckbauer, Tel.: +43 (0) 5 05 05-41951;
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