Das war der Bank Austria Future Talk vom 6. Juni 2024
In einer Gesellschaft, die geprägt ist von technologischem Fortschritt und permanenter Vernetzung, leiden immer mehr Menschen an chronischer Einsamkeit. Über 65-Jährige und Personen aus unteren Einkommensschichten sind besonders gefährdet, aber das Gefühl, nicht genügend eingebunden zu sein in ein soziales Gefüge – ein wesentliches menschlichen Grundbedürfnis – zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten.
Immer mehr Studien belegen die negativen Auswirkungen von Einsamkeit auf die mentale und physische Gesundheit, darüber gesprochen wird jedoch kaum.
Der Bank Austria Future Talk greift dieses wichtige Thema auf: Expert:innen aus unterschiedlichen Bereichen diskutieren darüber, wie technologische Fortschritte das Gefühl der Einsamkeit beeinflussen und zeigen auf, wie die Digitalisierung genutzt werden kann, ohne soziale Beziehungen zu vernachlässigen.
Robert Zadrazil, Country Manager Österreich der UniCredit, sieht Digitalisierung als Errungenschaft an, die das Leben effizienter und besser macht, spricht sich aber gleichzeitig für eine gesunde Balance zwischen Online- und Offline-Zeit und einen achtsamen Umgang mit sozialen Medien aus. Diese Balance versuche auch die Bank zu bewahren, indem im täglichen Geschäft viele unterschiedliche Kommunikationskanäle angeboten werden (z.B. Videoberatung).
Karin Gutierrez-Lobos, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, betont, dass Einsamkeit nach wie vor als gesellschaftlichen Tabu gilt, und es deshalb schwieriger sei, betroffene Menschen zu erkennen und zu erreichen. Einsamkeit sei eine Erfahrung, die jeder Mensch im Laufe des Lebens punktuell mache, schädlich sei sie vor allem dann, wenn sie zum chronischen Zustand wird. Letztendlich sieht sie vor allem das Fehlen von Berührung als wesentlichen Punkt für die Entstehung von Einsamkeit an – etwas das digitale Kontakte nicht ersetzen können.
Man müsse unterscheiden zwischen Allein-Sein-Wollen und Einsamkeit bzw. sozialer Isolation, erklärt Flora Gall, Projekt-und Teamleiterin von „Plaudernetz“, einer Initiative der Caritas Wien. „Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl. Man kann sich auch dann einsam fühlen, wenn man umgeben von Menschen ist, aber sich nicht verstanden fühlt.“ Sie plädiert für einen niederschwelligen Zugang zu Hilfsangeboten, um Austausch und Kontakt zu anderen Menschen zu finden. Eine dieser Initiativen ist das „Plaudernetz“, das Menschen die Möglichkeit bietet, in Momenten der Einsamkeit eine Nummer zu wählen und mit „Plauderpartner:innen“ verbunden zu werden.
Kathrin Karsay, Kommunikationswissenschaftlerin und Assistenzprofessorin an der Universität Wien, betont die Rolle der Sozialen Medien in der Debatte um Einsamkeit: unrealistische (Körper-)ideale und bearbeitete Bilder können vor allem bei Jugendlichen das Gefühl hervorrufen, nicht dazuzugehören, bei marginalisierten Personen sei dieser Effekt noch stärker. Das Problem sei jedoch nicht die „Handysucht“ – also das fast ständige Schauen auf’s Handy, sondern die Inhalte, die konsumiert werden. Sie appelliert an Eltern, in Bezug auf Mediennutzung eine Vorbildfunktion zu übernehmen.
Abschießend sind sich alle Diskussionsteilnehmer:innen einig, dass über das Thema Einsamkeit mehr gesprochen werden muss, um das gesellschaftliche Tabu zu brechen. Medienkompetenz, bewusste Nutzung des Handys und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen „online“ und „offline“ seien notwendig, um sich die Vorteile der Digitalisierung zunutze machen zu können und gleichzeitig physische zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen.
Hier finden Sie das Video zum Future Talk