2017 wurde der Pflichtanteil im Erbe neu geregelt: Das verändert nun einige Parameter. Viele besonders in heutigen Zeiten der Patchwork-Familien und etwas komplizierteren Familienstrukturen, wollen viele wissen, was man denn nun beachten muss und vor allem, wer pflichtteilsberechtigt ist. Wir haben dazu ein Interview mit Dr. Philip Ranft, öffentlicher Notar, geführt. 

Was muss man berücksichtigen, wenn man sein Testament vorbereitet? Inwieweit hat sich die Form verändert? Wer zählt nun zu den Pflichterben und inwiefern muss diese Berücksichtigung formuliert werden?

Wichtig bei der Errichtung eines Testaments ist zunächst, dass klar und unmissverständlich angeführt wird, wer Erbe sein soll. Je nach vorhandenem Vermögen und konkreter Familienkonstruktion, gibt es natürlich verschiedene Optionen hinsichtlich der Vermögensweitergabe, wobei immer für jeden Einzelfall genau zu überlegen ist, was gewünscht und sinnvoll ist. Den Erben kann man frei wählen – so kann man auch bei Vorhandensein von Familienangehörigen sein Vermögen etwa dem Tierschutzverein vererben. Eine „Grenze“ schafft hier das Pflichtteilsrecht. Kinder und Ehegatten/eingetragene Partner sind pflichtteilsberechtigt und so steht ihnen grundsätzlich eine Mindestquote am Verlassenschaftsvermögen zu. 

Müssen Pflichtteilsberechtigte im Testament bedacht werden, damit sie etwas erhalten?

Eine Familie spielt Fußball im GartenDie Pflichtteilsberechtigten müssen nicht zwingend im Testament bedacht werden. Sofern die Pflichtteilsberechtigten vom Verstorbenen im Testament übergangen werden und ihnen auch sonst kein anrechenbares Vermögen zugewandt wird, haben sie grundsätzlich einen Geldanspruch gegen die Verlassenschaft bzw. den Erben. 

Auch nach der Novellierung des Erbrechts durch das Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 stehen grundsätzlich weiterhin die „alten“, verschiedenen Formen für letztwillige Verfügungen zur Auswahl, welche aber teils beträchtliche Änderungen ihrer Gültigkeitsvoraussetzungen erfahren haben.

Wie muss ein Testament aussehen?

Für die einfachste und in der Praxis wohl häufigste Testamentsform – die sogenannte eigenhändige Verfügung – reicht es für deren Gültigkeit bereits, wenn sie vom Verstorbenen eigenhändig geschrieben und eigenhändig unterschrieben wird. Deutlich strengere Gültigkeitsvoraussetzungen hat im Vergleich die sogenannte fremdhändige Verfügung. Eine solche fremdhändige Verfügung muss zwar auch vom Verfügenden unterschrieben werden, der Text muss jedoch nicht mit der eigenen Hand geschrieben werden. Dieser kann beispielsweise mit dem Computer vorgeschrieben und dann ausgedruckt werden. Jedoch muss für die Gültigkeit einer fremdhändigen Verfügung der Verfügende der Verfügung einen handschriftlichen Zusatz anfügen, wonach die Verfügung seinen letzten Willen enthält und seine Unterschrift unter gleichzeitiger Anwesenheit dreier Testamentszeugen leisten. Sodann müssen auch diese drei Testamentszeugen, deren Identität aus der Urkunde hervorgehen muss, die Verfügung mit einem auf ihre Zeugeneigenschaft hinweisenden und eigenhändigen Zusatz unterschreiben. Die Zeugen müssen den Inhalt der Verfügung zwar nicht kennen, doch dürfen sie, damit sie taugliche Zeugen sind, nicht selbst aus der Verfügung begünstigt sein. Sofern eine fremdhändige Verfügung aus mehreren Blättern oder Bögen besteht, muss außerdem unter anderem äußere Urkundeneinheit bestehen. Diese ist dann gegeben, wenn die Verbindung der Blätter oder Bögen so fest ist, dass die Verbindung nur durch ein Zerstören der Urkunde gelöst werden kann. Daneben existieren auch noch weitere Formen letztwilliger Verfügungen.

Naturgemäß müssen für die Gültigkeit der gewählten Form unbedingt die jeweiligen gesetzlichen Gültigkeitserfordernisse beachtet werden, welche in der Praxis durchaus immer wieder zu Problemen führen. Insbesondere sorgen Verstöße gegen die Formpflicht bei den sogenannten „fremdhändigen Verfügungen“ in der Praxis immer wieder für medienwirksame Gerichtsprozesse und bedeuten für die Beteiligten oftmals den Verlust eines Erbes. Im Falle von Bedenken oder Unsicherheiten bei der Testamentserrichtung empfiehlt sich daher unbedingt die Inanspruchnahme professioneller Beratung – etwa bei eine:m Notar:in, bei denen eine erste Rechtsauskunft auch mit keinen Kosten verbunden ist.

Ist ein Testament nur gültig, wenn es notariell beglaubigt wurde?

Ein Testament in GroßaufnahmeNein - eine notarielle Beglaubigung ist kein Gültigkeitserfordernis eines Testaments. So reicht für die wohl einfachste Form eines Testaments – die sogenannte eigenhändige Verfügung – bereits, dass der Verstorbene die Verfügung selbst schreibt und am Ende mit seinem Namen unterschreibt. Jedenfalls empfiehlt es sich aber bei der Testamentserrichtung und generell bei der familiären Vermögensplanung – insbesondere bei komplizierten Familienverhältnissen und bedeutenden Vermögenswerten – professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hierfür stehen beispielsweise die österreichischen Notar:innen zur Verfügung.

Wie hoch ist der gesetzliche Pflichtanteil und welches Vermögen wird hier zur Bemessung herangezogen?

Pflichtteilsberechtigten Personen steht als Pflichtteil grundsätzlich die Hälfte dessen zu, was ihnen nach der gesetzlichen Erbfolge zustünde. Sofern ein Verstorbener also eine Ehegattin und zwei Kinder hinterlässt, stünde diesen Hinterbliebenen nach der gesetzlichen Erbfolge jeweils ein Drittel des Verlassenschaftsvermögens zu. Der Pflichtteil dieser Personen beliefe sich also auf ein Sechstel pro Person. Wenn der Verstorbene nun beispielsweise einen Tierschutzverein zu seinem Alleinerben bestimmt und die Verlassenschaft diesem eingeantwortet wird, können die Pflichtteilsberechtigten von diesem Tierschutzverein nach Ablauf eines Jahres ab dem Todestag des Verstorbenen ihre Pflichtteile samt Zinsen fordern. In typischen Familienkonstruktionen kann man also davon ausgehen, dass grundsätzlich im Ergebnis eine faktische Vermögensbindung in Höhe von 50 % des Verlassenschaftsvermögens besteht

Wie wird die Bemessungsgrundlage ermittelt?

Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil wird zunächst das Aktivvermögen zum Todeszeitpunkt ermittelt. Anschließend werden vom vorhandenen Aktivvermögen zunächst die vorhandenen Schulden sowie die sogenannten Erbgangsschulden (das sind die Begräbniskosten, Verlassenschaftsgebühren etc.) abgezogen. Daneben können noch gewisse andere Kosten abgezogen werden. Der sich so ergebende Betrag ist sodann grundsätzlich die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil. Pflichtteilsberechtigte haben das Recht, die sogenannte Inventarisierung und Schätzung des Verlassenschaftsvermögens durch Sachverständige zu verlangen. Schenkungen, die der Verstorbene zu seinen Lebzeiten getätigt hat, werden unter Umständen der Verlassenschaft hinzugerechnet. Bei Fragen zu dieser komplexen Materie empfiehlt es sich beispielsweise eine:n Notar:in aufzusuchen.

Was, wenn man als Erblasser den Pflichtteil nicht selbst berücksichtigt und es Pflichtteil-Berechtigte Erben gibt? Wer fordert den Pflichtteil ein und wie wird der Pflichtteil berechnet?

Die unmittelbare Berücksichtigung des Pflichtteils durch den Verstorbenen – etwa in Form von Vermögenszuwendungen im Testament – ist nicht verpflichtend. Ebenso wenig müssen bei Vorhandensein von ausschließlich volljährigen Pflichtteilsberechtigten vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens deren Pflichtteilsansprüche zwingend befriedigt oder sichergestellt werden. Die Pflichtteilsberechtigten müssen ihre Ansprüche selbst geltend machen. Sie können aber, sofern eine Einigung erzielt werden kann, im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens mit den Erben ein sogenanntes Pflichtteilsübereinkommen schließen, in dem genau geregelt wird, was sie zur Befriedigung ihrer Pflichtteilsansprüche erhalten. Sofern aber keine Einigung mit den Testamentserben erzielt werden kann, müssen die Pflichtteilsberechtigten ihre Ansprüche nötigenfalls mittels Klage durchsetzen. Diese Klage ist innerhalb einer Frist von drei Jahren ab Kenntnis der für den Anspruch maßgebenden Tatsachen zu erheben, was in der Regel Kenntnis vom Tod des Verstorbenen und gegebenenfalls Kenntnis der letztwilligen Verfügung bedeutet. Jedenfalls ist diese Klage aber innerhalb einer Frist von 30 Jahren ab dem Tod des Verstorbenen zu erheben.

Als Beispiel ein Fall aus der Praxis: Ein Mann hat eine uneheliche Tochter. Um diese aus dem Erbe auszuschließen, schenkt er sein Vermögen seiner Ehefrau. Als er verstirbt ist nun so gut wie kein vererbbares Vermögen mehr vorhanden. Bekommt die Tochter nun trotzdem einen Pflichtteil? Oder ist ein Pflichtteil nur auszahlbar, wenn noch Vermögen vorhanden ist?

Zunächst ist festzuhalten, dass es für den Pflichtteilsanspruch keinen Unterscheid macht, ob ein Kind unehelich ist oder nicht. Ein Kind ist grundsätzlich pflichtteilsberechtigt, sofern es nicht auf den Pflichtteil verzichtet, wirksam enterbt wurde oder nicht gewisse Gründe vorliegen, die es erbunwürdig machen. Sollte der Verstorbene bereits zu seinen Lebzeiten sein ganzes oder einen Großteil seines Vermögens an seine Ehefrau verschenken, um seiner Tochter somit das Vermögen vorzuenthalten, schützt das Gesetz die Tochter. Die Tochter hat die Möglichkeit, den sogenannten Schenkungspflichtteil geltend zu machen: Auf Antrag von Pflichtteilsberechtigten sind gewisse Schenkungen, die der Verstorbene zu Lebzeiten tätigt, dem Verlassenschaftsvermögen hinzuzurechnen. Schenkungen an Dritte Personen sind nur dann hinzuzurechnen, wenn sie innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod des Verstorbenen wirklich gemacht wurden. Schenkungen an andere Pflichtteilsberechtigte sogar ohne zeitliche Einschränkung! Das durch die Hinzurechnung dieser Schenkungen vergrößerte Vermögen ist sodann die Bemessungsgrundlage für den Schenkungspflichtteil. 

Sofern das vorhandene Vermögen im Todeszeitpunkt nicht zur Befriedigung der Ansprüche der Tochter ausreicht, kann die Tochter von der Ehefrau die Zahlung des Fehlbetrages verlangen. Im Ergebnis kann in diesem Beispiel der Vater seiner unehelichen Tochter ihren Pflichtteil also nicht durch Schenkung seines Vermögens an seine Ehefrau vorenthalten, da die Tochter die Hinzurechnung dieser Schenkung verlangen kann. 

Ein weiteres Beispiel: Ein junger Mann verstirbt. Er hinterlässt einen Sohn, aber keinerlei Vermögen. Müssen nun die Großeltern den Pflichtteil übernehmen?

Ein älteres Paar lässt sich beraten
Da sich der Pflichtteil grundsätzlich vom Verlassenschaftsvermögen bemisst und in diesem Fall kein Vermögen vorhanden ist, kann der Sohn auch keinen Pflichtteil in der Verlassenschaft nach seinem Vater verlangen. Der Sohn ist jedoch pflichtteilsberechtigter Nachkomme seiner Großeltern. 

Hat dieser nun auch Anspruch auf einen Erbteil der Großeltern? Oder hatte er nur Erbanspruch auf das Erbe des Vaters?

Sollten in weiterer Folge die Großeltern sterben – auch wenn diese Großeltern noch andere Kinder hinterlassen (also Tanten und Onkel des Sohnes) – so steht dem Sohn grundsätzlich dennoch ein Pflichtteil am jeweiligen Verlassenschaftsvermögen seiner Großeltern zu. Der Sohn repräsentiert nämlich als dessen Nachkomme seinen vorverstorbenen, pflichtteilsberechtigten Vater. Er tritt also in der jeweiligen Verlassenschaft seiner Großeltern an die Stelle seines Vaters und hat in diesem Beispiel grundsätzlich auch einen Pflichtteilsanspruch.

Entbinden Zuwendungen/Geschenke vor dem Todesfall den Erblasser vom Pflichtanteil?

Pflichtteilsberechtigte können, etwa im Rahmen von Übergaben oder Schenkungen, auch bereits zu Lebzeiten verbindlich auf ihre Ansprüche verzichten. Ein solcher verbindlicher Pflichtteilsverzichtsvertrag kann jedoch nur in Form eines Notariatsaktes abgeschlossen werden, weshalb der Gang zu eine:m Notar:in notwendig ist.

Sofern der Verstorbene einem Pflichtteilsberechtigten bereits zu seinen Lebzeiten Vermögen schenkt, hat sich der Pflichtteilsberechtigte diese Schenkungen auf Verlangen der übrigen Pflichtteilsberechtigten auch grundsätzlich auf seinen Pflichtteil anrechnen zu lassen, sofern der Verstorbene den Erlass der Anrechnung nicht letztwillig verfügt oder mit dem Geschenknehmer vereinbart. Im Ergebnis ist es also möglich, die Pflichtteilsansprüche der Berechtigten schon durch Schenkungen zu Lebzeiten zu befriedigen.

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